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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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hatte, tat ihr Übriges.
    Biscia folgte widerspruchslos den Befehlen.
    Sie ging ihm entgegen. Auch er hatte sie bemerkt, mit ihrer pechschwarzen Mähne war sie nicht zu übersehen. |47| Als sie vor ihm stand, schnippte er die Kippe weg und küsste sie flüchtig auf die Wange. Kein Lächeln. Er wirkte düster, fast abweisend. Tilde umarmte ihn und spürte einen harten Gegenstand unter seinem Mantel. Eine Pistole. Biscia ließ den Militärlaster nicht aus den Augen.
    »Was wollen die?«, fragte sie scheu und suchte seinen Blick.
    »Uns einschüchtern, die Deutschen fühlen sich stärker, wenn wir Angst haben.«
    Seite an Seite gingen sie in Richtung Sestri. Das Fahrrad zwischen ihnen zog eine deutliche Grenze. Sie sprachen kein Wort, das Misstrauen dem anderen gegenüber war mit Händen zu greifen.
    Biscia brach das Schweigen als Erster. »Man hätte nur eine Handgranate unter den Laster rollen müssen, das hätten sie nicht einmal gemerkt und dann   … bumm!« Er drehte sich eine weitere Zigarette.
    »Und die Arbeiter auf dem Hof? Das hätte ein Blutbad gegeben.«
    »Stimmt, so hätte es auch Unschuldige getroffen, aber als alle noch im Laster saßen   … Einer mit Mumm in den Knochen hätte sich diese Chance nicht entgehen lassen.«
    »Und du?« Ihre Angst wuchs, warum wusste sie auch nicht.
    Biscia lächelte und starrte ins Nichts. »Ich trage keine Handgranaten mit mir herum.«
    »Und wenn?«
    »Was soll die Fragerei,
Signorina «
, wiegelte er ab. Dann sah er ihr endlich in die Augen. Der nächste Satz traf sie bis ins Mark. »Seitdem du Maestri begegnet bist, hast du wohl Spaß an Verhören?«
    Das war kein Geplänkel mehr. Tilde beschloss, direkt zum Punkt zu kommen. »Du machst doch auch alles, was man dir aufträgt, nach dem Motto: Befehl ist Befehl.«
    |48| »Vielleicht. Aber es gibt Situationen, in denen man selbst entscheiden muss.«
    »Allerdings. Du musst selbst entscheiden. Du! Apropos: Hast du mit Olindo gesprochen?«
    Er nickte und zog an seiner Zigarette. Die leichte Brise, die von den Bergen herunterwehte, trug den Rauch davon. Den stechend scharfen Geruch nach Eisen und Kohle aus den Schloten der Gießereien jedoch konnte auch der böige Wind aus dem Norden nicht vertreiben. Sie passierten das Ansaldo-Werksgelände in der Via Merano. Eine Straßenbahn quälte sich in Richtung Pegli.
    Der azurblaue Himmel wölbte sich über dem Grün der Hügelkette, die Sonne strahlte und hauchte sogar den tristen grauen Häuserwänden neues Leben ein. Ein wunderbarer Tag für einen romantischen Spaziergang zu zweit. Stumm gingen sie nebeneinander her, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Stille war schwer wie Blei.
    Tilde brach das Schweigen. »Wie lauten die Befehle?«
    »Die Verräterin unschädlich machen. Es gibt keine Alternative.«
    »Das bedeutet, ich bin am Zug.«
    »Nur wenn du willst.«
    Ohnmächtig vor Wut ließ sie den Lenker los und schleuderte ihm das schwere Fahrrad entgegen. Biscia stöhnte vor Schmerz auf.
    »Bist du verrückt geworden?«
    Wütend war er nicht, höchstens verblüfft. Im Dienste der gemeinsamen Sache, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hatten Gefühle keinen Platz.
    Scher dich zum Teufel, Biscia!
    »Und wenn ich nicht will?«, fragte sie mit bebender Stimme. Sie versuchte ihren Zorn im Zaum zu halten.
    »Kein Problem«, antwortete er und hob das Fahrrad vom Boden auf.
    |49| Sie blieb ihrer Rolle treu und giftete weiter: »Ach nein? Dann wird sich Strappaunghie einen nach dem anderen vorknöpfen und sich von mir das mit Gewalt nehmen, was sich Hessen freiwillig erhofft.«
    »Es ist nicht unsere Schuld, dass es so weit gekommen ist.«
    »Natürlich nicht. Aber   … was meinst du?«
    Biscia starrte auf den Boden, dorthin, wo sich der Schatten ihrer Körper auf dem Pflaster abzeichnete. In scharfem Ton sagte er: »Ich bin weiß Gott nicht der Richtige, dir diesen Befehl zu überbringen.«
    »Und warum hast du es dann gemacht?«
    »Weil Scheinheiligkeit nicht unsere Sache ist. Wir sind doch keine Jesuiten.«
    »Sicher?«
    »Außerdem hast du davon angefangen.«
    Sie ballte die Fäuste, ihre Geduld war langsam am Ende. War er wirklich so blöd oder tat er nur so?
    »Kann es sein, dass du nichts, aber auch gar nichts verstehst? Ich hatte gehofft, dass mir jemand anderes den Befehl überbringen würde. Nicht gerade der Mann, den ich liebe und den ich heiraten will.«
    Volltreffer! Er wusste nicht, wohin mit seinen Händen, und drehte sich eine weitere Zigarette. »Tilde,

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