Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
Vom Netzwerk:
offensichtlich war das Holz noch zu feucht, so roch es jedenfalls. Das winzige Fensterchen zur Scheune nutzte wenig, deshalb hatte Dria die Tür offen gelassen, damit wenigstens etwas Luft hereindrang.
    »Dieser Rauch«, schimpfte er, »hier erstickt man ja.«
    Die Männer warteten bereits auf Tilde. Sie hatte den Eindruck, dass die fünf schon eine ganze Weile zusammensaßen und etwas ausheckten, von dem sie, Tilde, nichts wissen sollte.
    Dria war kein Freund großer Worte. Tilde hatte ihn |105| ab und zu vor der Kirche getroffen. Sie wusste, dass er bei Ceramica Vaccari arbeitete, aber das war auch schon alles. Er musste um die fünfundzwanzig sein, sah aber älter aus. Alles an ihm wirkte dreckig und ungepflegt, außerdem fehlten ihm einige Zähne. Bestimmt hatten die Entbehrungen des Krieges ihren Teil dazu beigetragen, aber das erklärte nicht alles. Wahrscheinlich legte er wenig Wert auf sein Äußeres. Er lebte allein. Was wohl aus seiner Familie geworden war?
    Olindo lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. Er musterte sie mit dankbarem Blick.
    Zwei der jungen Männer am Tisch hatte Tilde noch nie gesehen. Der blassgesichtige Lockenkopf mit Nickelbrille starrte sie unverwandt an. Wahrscheinlich ein Student.
    Neben ihm saß ein kahlköpfiger Typ, etwa im gleichen Alter. Auch er mager und ungewöhnlich blass. Seine Strickjacke war ihm zwei Nummern zu groß. Er trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch. Die Fingernägel waren schmutzig, die Knöchel gerötet.
    Biscia saß nicht am Tisch, er kauerte in einer Ecke, rauchte und starrte auf den Boden. Als Tilde hereingekommen war, hatte er nicht einmal den Kopf gehoben. Wie sollte sie sich verhalten? Sie versuchte Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. Keine Reaktion. Danach schaute sie flehend zu Olindo hinüber. Er lächelte ihr fürsorglich zu und stellte die Männer vor.
    »Dria und Biscia kennst du ja. Das ist Lanza«, sagte er und zeigte auf den Mann mit dem kahlen Schädel, »er war bei der Marine, aber nach dem 8.   September ist er desertiert und hat sich uns angeschlossen. Der Lockenkopf dort ist Calcagno, unser Intellektueller. Er studiert ohne große Begeisterung Jura, dafür hat er aber alles von Marx und Lenin gelesen.«
    »
Salve «
, grüßte sie linkisch.
    |106| »Und das ist Tilde, unser Stachel im Fleisch der Deutschen.«
    Die Männer lächelten sie an, nur Biscia hielt den Blick gesenkt.
    »Wir können anfangen. Erzähl uns doch bitte, was du herausgefunden hast.«
    Jetzt war es so weit. Sie spürte die Anspannung, das Blut schoss ihr ins Gesicht. Wie ein Kind, dem alles über den Kopf gewachsen ist. Diese Rolle war neu für sie, viel lieber hätte sie geschwiegen und den anderen zugehört. Was sollte sie schon groß erzählen? Am liebsten hätte sie sich verkrochen. Das Geschehene aus den Gedanken tilgen, alles vergessen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie musste an ihre Mutter denken. Es würde ihr das Herz brechen, wenn sie davon wüsste. Ganz zu schweigen von ihrem Vater. Da würde es auch nichts nutzen, ihn daran zu erinnern, dass er das gleiche Parteibuch hatte, oder ihm ins Gesicht zu schreien, dass sie nur einen Befehl befolgt hatte. Wenn es um die Ehre seiner Tochter ging, gab es kein Pardon. Sicher, es gab Pflichten, aber die sollten gefälligst andere erfüllen.
    Sie hatte keine Zeit, sich für das Geschehene zu schämen oder Mitleid für Biscia zu empfinden, und ohne es zu merken, begann sie zu sprechen. Sie sagte nur das Nötigste, beschränkte sich auf das, was ihr befohlen worden war. Alles andere behielt sie für sich, darüber konnte sie in Biscias Anwesenheit nicht sprechen. Sie erzählte von dem Fest, dass der Hauptmann sehr viel getrunken und mit ihr getanzt hatte. Danach hatte sie ihm den Namen der Verräterin entlockt. Iolanda. Sie hatte Sandra und Mariù an die Nazis verraten. Beide waren in einem verplombten Waggon in ein Arbeitslager nach Deutschland deportiert worden. Dass Hessen ihr all das zwischen den noch warmen Laken seines Bettes erzählt hatte, erwähnte sie nicht.
    |107| Ein vorwitziger Sonnenstrahl war durch die schweren Vorhänge gedrungen. Wie ein gleißendes Schwert hatte er das Zimmer in der Mitte geteilt, ohne es zu wärmen.
    Olindo schien erleichtert. Er hakte nach: »Und wenn er dich belogen hat?«
    »Belogen? Warum sollte der Deutsche eine so wichtige Informantin opfern?«
    »Da ist was dran«, kam ihr Calcagno zu Hilfe, »eine wie Iolanda lässt sich nicht so leicht ersetzen.«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher