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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Folgen geblieben war.«
    »Es stimmt also, dass sie nach dem Krieg geheiratet und noch ein Kind bekommen hat.«
    »Ja, eine Tochter, die mittlerweile auch schon Großmutter ist. Sie hat von der Geschichte mit ihrem Halbbruder nie etwas erfahren und ich habe Nicla auf dem Totenbett versprochen, dass sich das auch nicht ändern wird.«
    »Nicht einmal für drei Millionen Euro?«
    »Nicht für alles Geld der Welt, Bacci. Hier geht es nicht um Geld, sondern um die Ehre.«
    »Ist der Vater auch schon tot?«
    »Das weiß ich nicht, ich habe ihn nie kennengelernt. Einige Jahre nach der Geburt seiner Tochter ist er nach Südamerika ausgewandert, danach hat man nie wieder etwas von ihm gehört. Nicla hat das Kind alleine aufgezogen.«
    »Nicla ist nicht ihr richtiger Name, oder?«
    »Du hast sie so genannt.«
    »Den Namen habe ich von Hessen.«
    »Dann bleiben wir dabei.«
    »Vor zwanzig Jahren hat er mit dir Kontakt aufgenommen. Hat er dir damals von Nicla erzählt?«
    »Dein Auftraggeber spielt ein falsches Spiel. Er blufft. Außer dem wirren Zeug, das ihm Dria kurz vor seinem Tod erzählt hat, weiß er gar nichts. Dria war ein mutiger Mann und ein glühender Patriot, aber bestimmt nicht besonders klug. Mit etwa fünfzig bekam er Alzheimer, ab da war er nicht mehr Herr seiner Sinne. Die haarsträubende Geschichte und die Namen, die er genannt hat: alles Blödsinn.«
    |139| »Du hast mir nicht geantwortet, Olindo. Hat Hessen den Namen Nicla erwähnt?«
    »Nein, er hat einen anderen Namen genannt, aber der war falsch. Wie gesagt, Dria war nicht mehr zurechnungsfähig und hat Hessens Mutter bestimmt mit einer anderen Frau verwechselt.«
    »Hat Nicla gegen die Deutschen gekämpft?«
    »Ja. Sie war einer unserer mutigsten Kuriere. Sie wurde auf der Straße nach Sant’Alberto von den Deutschen aufgegriffen und in die Kommandantur gebracht, wo sie Hauptmann Hessen kennenlernte. Damals war sie neunzehn. Sie war etwas ganz Besonderes.«
    Sein Gesicht hatte einen Ausdruck angenommen, den ich nicht deuten konnte.
    »Eine Schönheit, ein wenig naiv, aber gleichzeitig ging etwas Animalisches von ihr aus. Hessen hatte Feuer gefangen, was ihr nicht verborgen geblieben war. Sie bot an, sich mit ihm einzulassen, ihr Opfer für die gemeinsame Sache. Alles ging gut, bis er beim Anschlag auf das Odeon-Kino ums Leben kam. Danach war sie wie vom Erdboden verschwunden. Wir dachten alle, sie sei deportiert worden. Nach der Befreiung habe ich sie wiedergesehen. Sie hat mir erzählt, sie sei von den Deutschen am Gardasee gefangen gehalten worden. Nach der Entbindung habe man ihr das Kind weggenommen und sie zur Arbeit in einer Fabrik gezwungen. Ich habe ihr hoch und heilig versprechen müssen, dass niemand von dieser Geschichte erfährt.«
    »Demnach müssen Lanza und Balletta sie auch gekannt haben.«
    »Balletta war in den Bergen, er hat nie etwas davon erfahren.«
    »Mein Klient ist da anderer Meinung.«
    Olindo schüttelte lächelnd den Kopf. »Enrico war erst sechzehn, als er zu uns stieß, das war Ende Mai ’44.   Da |140| war sie schon verschwunden. Bei seinem ersten Einsatz wurde er verletzt und von den Deutschen erkannt. Wir haben ihn in Sicherheit gebracht, nach Urbe, wo auch dein Vater war. Sie sind bis zur Befreiung dort geblieben.«
    »Und Lanza?«
    »Auch er hat sie nicht gekannt. Der Kontakt zwischen den Kurieren und den Partisanen lief nur über mich, aus Sicherheitsgründen.«
    »Und Dria?«
    »Dria und sie haben sich schon vor dem Krieg gekannt.«
    »Gut.« Ich wechselte das Thema. »Nicla hatte also eine Tochter.«
    »So ist es. Sie ist fast sechzig und, wie gesagt, vor ein paar Monaten Großmutter geworden.«
    »Glaubst du nicht, dass sie ihren Bruder gerne kennenlernen würde?«
    »Da halte ich mich raus. Ich habe ihrer Mutter ein Versprechen gegeben.«
    »Du maßt dir an, über andere zu entscheiden?«
    »Die Entscheidung habe ich vor zwanzig Jahren getroffen.«
    »Dieser Hessen wäre für sie der Onkel aus Amerika.«
    Er lächelte erneut. »Historisch gesehen scheint mir das kein glücklicher Vergleich. Und wenn er blufft? Wenn er ein Hochstapler ist? Bist du sicher, dass er wirklich so reich ist?«
    »Er hat mir als Vorschuss einen Scheck über vierzigtausend Euro ausgestellt, den ich natürlich abgelehnt habe.«
    »Glaub mir, Bacci, dieser Mann ist nicht der, für den er sich ausgibt. Gib den Auftrag zurück. Er ist kein Wohltäter, er will Rache.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Keine Ahnung.

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