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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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sie nicht finde. Aber dadurch erreichte er nur das Gegenteil. Ich hatte Blut geleckt. Grandis Geheimniskrämerei konnte nur eines bedeuten: Die Frau musste ganz in meiner Nähe sein.
    Hessen, der schlaue Fuchs, hatte mich auf die richtige Fährte gesetzt, ich musste in Sestri suchen. Ich beschloss, ihn anzurufen, um ihn über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Aber wenn der Comandante doch recht hatte und Hessen nur aus Rache und nicht aus familiärer Verbundenheit handelte? Sicher war ich mir noch immer nicht.
    Ich rief seine Kölner Nummer an. Er meldete sich sofort.
    »
Signor
Pagano, wie schön Ihre Stimme zu hören. Und höre ich richtig? Die Ouvertüre aus Mozarts ›Zauberflöte‹?« Er hatte die Musik im Hintergrund sofort erkannt.
    »Es gibt Neuigkeiten. Der Bruder, den Sie suchen, ist eine Schwester.«
    »Eine Schwester?«
    |153| »Eine Frau, die vor Kurzem Großmutter geworden ist.«
    »Haben Sie sie gefunden?«
    »Noch nicht.«
    »Darf ich fragen«, fuhr er in professoralem Tonfall fort, in dem auch ein Hauch Ironie lag, »wer Ihnen diese Geschichte verkauft hat?«
    »Meine Quellen wollen unerkannt bleiben.«
    »Aber sicher doch.« Seine Stimme war jetzt eiskalt. »Aber Ihre Quellen haben nicht das Recht, Sie an der Nase herumzuführen. Auch wenn letztendlich ich als Ihr Auftraggeber der Belogene bin.«
    Die Idee, für jemanden zu arbeiten, der sich so aufspielte, gefiel mir ganz und gar nicht. Noch weniger allerdings gefiel mir sein Ton.
    »Hören Sie, Professore, warum nennen Sie mir nicht einfach den Namen Ihres Bruders, und das war’s?« Ich seufzte tief.
    »Weil ich ihn nicht kenne«, gab er mit gespielter Naivität zurück.
    »Und wie können Sie dann ausschließen   …«
    »Dass es sich um eine Frau handelt? Weil Dria Ratto von einem Mann gesprochen hat.«
    »Dria Ratto litt an Alzheimer.«
    »Und Sie, werter Herr Detektiv, leiden an Befangenheit gegenüber den alten Weggefährten Ihres Vaters. Ich wette, Sie haben nicht auf mich gehört und weiter bei Grandis Leuten herumgeschnüffelt.«
    »Wie ich ermittle und mit wem ich spreche, entscheide immer noch ich und nicht mein Auftraggeber.«
    »Ich bleibe dabei, damit verschwenden Sie nur Ihre Zeit und mein Geld, aber tun Sie, was Sie für richtig halten. Sie sind der Profi.«
    Zu viel der Ehre. »Aber jetzt mal ehrlich: Was wollen Sie wirklich?«, fragte ich.
    |154| »Den Namen meines Bruders«, sagte er knapp.
    »Und darüber hinaus?«
    Schweigen. Ich spürte, wie sich mein Gesprächspartner versteifte. Vielleicht war es nur Einbildung, aber meine Frage schien einen Nerv getroffen zu haben. Deshalb bohrte ich nach: »Ihr Vater wurde bei einem GA P-Atten tat getötet.«
    »GAP?« Ungläubiges Staunen, als hätte er diesen Namen noch nie gehört.
    »Ja. Die Partisanen, die damals in den Städten Guerilla-Aktionen geplant und durchgeführt haben.«
    »Und Ihr Vater war auch einer von der GAP?«, fragte er.
    »Nein, mein Vater hat in den Bergen gekämpft. Warum fragen Sie?«
    »Um nicht wieder ins Fettnäpfchen zu treten. Wissen Sie, wie man diese Leute heute nennen würde?«
    Ich begann zu ahnen, worauf er hinauswollte, und ließ ihn weitersprechen.
    »
Terroristen.
« Er betonte jede Silbe, präzise wie Hammerschläge. »Der Mann, der die Bombe im Odeon-Kino deponiert hatte, war nichts anderes als ein Terrorist.«
    »Und deshalb sind deutsche Soldaten mehr wert als neunundfünfzig politische Gefangene, die auf ihren Prozess warteten und am Turchino-Pass exekutiert wurden?«
    »Es war Krieg und der Krieg ist eine ernste Angelegenheit,
Herr
Pagano. Auch wenn ihr Italiener ihn immer als Spiel aufgefasst habt, mal mit den einen, mal mit den anderen Allianzen geschmiedet habt und nie dafür bezahlen musstet.«
    »Ist das Leben von neunundfünfzig jungen Menschen nicht Preis genug? Wie viele hätten Ihrer Meinung denn sterben müssen?«
    Aus dem Hörer drang ein wütendes Schnauben. Das Thema war ihm offensichtlich unangenehm. Er hatte angegriffen, |155| um sich zu verteidigen. Nach diesem rhetorischen Ausflug in die Vergangenheit war ich sicher, dass ich den richtigen Riecher gehabt hatte. Deshalb wiederholte ich den Satz, der ihn offensichtlich provoziert hatte: »Also, Ihr Vater wurde bei einem Attentat getötet.«
    »So habe ich es ausgedrückt.« Er reagierte gereizt, war aber auf der Hut.
    »Und Ihre Mutter war eine Partisanin.«
    »Das ist nicht hundertprozentig sicher.«
    »Wem wollen Sie denn diesen Bären aufbinden? Sie wissen genau,

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