Bitterfotze
Park in der Nähe unserer Wohnung sah ich eines Tages einen Mann mit einem dunkelblauen T-Shirt, auf dem stand: »Vaterurlaub«. Er schob den Kinderwagen mit einem selbstzufriedenen Lächeln, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als mir mein Mutterurlaub am meisten auf die Nerven ging und ich darauf brannte, wieder arbeiten gehen zu können. Der Mann ging mit seinem Baby zu den Schaukeln und schaukelte das Kind so gefährlich hoch, dass es vor Vergnügen quietschte, und an einem anderen Tag, zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich ihn vielleicht charmant gefunden.
Weil er einer der seltenen Väter war, der Vaterurlaub nahm. Aber meine Großherzigkeit glänzte mit Abwesenheit und stattdessen stellte ich mich neben ihn und schaukelte Sigge nicht ganz so hoch und fragte ihn, woher er sein T-Shirt hätte. Ich glaube nicht, dass er meine Bitterkeit verstanden hat, denn er antwortete fröhlich, dass er das T-Shirt von der Krankenkasse bekommen hätte.
Er berichtete, dass seine Krankenkasse bei den Kursen für werdende Eltern die T-Shirts an die Väter in der Gruppe verteilt habe, als eine kleine Ermunterung, »ihren Teil des Elternzeit zu nehmen«. Eine gute Idee, die mir in meine bitterfotzigen Augen sticht, weil es nur allzu deutlich zeigt, wie diese Gesellschaft es als etwas unglaublich Außergewöhnliches betrachtet, wenn Väter Verantwortung übernehmen. Und trotz eifriger Kampagnen und T-Shirts vonseiten aller möglichen Behörden scheint es kaum möglich zu sein, die Väter dazu zu bringen, genauso viel Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen wie die Mütter. Die Väter in Schweden nehmen (knapp) zwanzig Prozent der Elternzeit. Und nur ein kleiner Prozentsatz nimmt ihn je zur Hälfte.
Das Schlimmste ist, dass wir uns damit abfinden, sowohl werdende Väter als auch werdende Mütter. Als ich gerade erfahren hatte, dass ich mit Sigge schwanger war, habe ich zufällig eine Sendung im Fernsehen gesehen.
Es ging darum, warum die Geburtenrate so niedrig ist, vor allem in Südeuropa, aber auch in Skandinavien.
Auf dem Fernseher hetzte eine etwa dreißigjährige Frau durch eine Bürolandschaft, mit einem Baby auf der Hüfte. Die Sprecherstimme erzählte, dass die IT – Chefin Maya ihren Sohn Albert von Geburt an mit zur Arbeit genommen hat. Klein Albert schrie, während seine Mutter versuchte, ihn zu stillen und gleichzeitig eine Mitarbeiterbesprechung zu leiten. Schnitt zum Bild eines Demografen, einem Mann um die sechzig, der ernsthaft verkündete, dass in Europa noch nie so wenig Kinder geboren wurden wie heute. Dies, so meinte der Demograf, sei einer der schlimmsten Angriffe auf die Gesellschaft überhaupt. Er benützte tatsächlich das Wort Angriff und fuhr fort, die »Befreiung der Frau« sei nicht glimpflich abgelaufen und habe eine ganze Reihe negativer Folgen. Aber leider, so der Demograf, dürfe man das nicht laut sagen, ohne als reaktionär bezeichnet zu werden.
»Der Kern des Problems ist, dass man nicht laut sagen darf, dass es gut wäre, die Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen zu begrenzen«, jammerte er.
Parallel zu Maya und dem Demografen wurde die Italienerin Rafaella interviewt. Ihre Ambitionen, Chefin zu werden, waren größer als die, Mutter zu werden. Die Bilder aus ihrem Leben zeigten, wie sie shoppen ging, sich schminkte, ein Interview gab und sich mit ihren Freunden zum Essen traf. Dazu wurden Texte eingeblendet, die unter anderem besagten, dass »die italienische Frau zwei Kinder haben möchte, aber nur eins bekommt …«
Wie viele Kinder der italienische Mann möchte, wurde nicht gesagt, denn es war sehr deutlich, dass Männer irgendwie nichts mit dem Kinderkriegen zu tun haben.
Und je egoistischer die Frauen würden, desto schneller ginge es mit der Gesellschaft bergab. Der Demograf malte ein Schreckensszenario nach dem anderen an die Wand, von all den Rentnern, die bald die Straßen füllen würden, und dass es außerdem zu wenig Steuerzahler gäbe, um sie zu versorgen.
Die IT – Chefin Maya, die manchmal von zu Hause arbeitete, wurde gefilmt, als sie dem Sohn Albert die Nase mit dem Blusenärmel putzte, während sie in der anderen Hand das Telefon hielt und versuchte, ein wichtiges berufliches Telefongespräch zu führen. Klein Albert schrie ununterbrochen und war offensichtlich unzufrieden damit, dass seine Mutter andere Ambitionen hatte, als nur seine Mutter zu sein. Wo der Vater des kleinen Albert war, das war nicht von Interesse und wurde überhaupt nicht erwähnt.
Die Texte, die
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