Bittersuess
diesen ekligen Geschmack aus dem Mund bekomme.
Ich bin ganz wacklig auf den Beinen und torkele, als ich aus dem Badezimmer gehe.
„Warte“, sagt er zu mir und hebt mich wieder auf seine Arme.
Ich schaue ihn etwas überrascht an, aber ich muss zugeben, dass ich erleichtert bin, nicht selber laufen zu müssen. Mir ist ganz schwummerig zumute und ich hab das Gefühl, nicht ganz da zu sein.
Er legt mich auf dem Bett ab und streichelt mir sehr sanft durchs Gesicht.
„Es könnte sein, dass d u eine leichte Gehirnerschütterung hast. Wie fühlst du dich?“
Ich kann in seinen Augen erkennen, dass er wirklich besorgt ist.
„Geht wieder, es tut nur ein bisschen weh“, murmele ich. Ich fühle mich müde, am liebsten würde ich sofort wieder einschlafen.
„Ich werde die Nacht über hierbleiben und nach dir sehen“, höre ich ihn noch sagen, dann fallen mir die Augen zu.
Im Einschlafen höre ich ihn noch mit den anderen streiten, er scheint furchtbar wütend zu sein.
‚Wegen mir? ’, frage ich mich noch, dann döse ich endgültig weg.
Ich schlafe unruhig, habe das Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Ich registriere, dass ich angesprochen werde, mich jemand streichelt, doch die Kraft, die Augen zu öffnen, fehlt mir.
Ich schaffe es erst, als die Sonne das Zimmer schon erhellt hat. Müde blinzele ich in das Licht, stelle fest, dass die Vorhänge nicht zugezogen sind.
‚Wer hat das gemacht?’ , ich wundere mich, dann spüre ich, dass ich nicht gefesselt bin.
Mir dämmert es, dass gestern etwas passiert ist, aber ich weiß nicht mehr genau, was das war.
Ich spüre das Pochen in meinem Kopf und taste nach einer besonders schmerzenden Stelle.
„Guten Morgen“, höre ich jemanden sagen, höre ich IHN sagen.
„Morgen“, ich blicke in seine Richtung, er sitzt auf einem Stuhl in der Ecke des Zimmers.
Wieso ist da denn jetzt ein Stuhl? Da war doch vorher keiner.
Er steht auf und kommt an mein Bett. „Wie fühlst du dich?“
„Mein Kopf… was ist geschehen?“, ich schaue ihn ratlos an.
„Weißt du es nicht mehr?“, er greift nach meiner Hand und streichelt behutsam, fast zärtlich darüber.
„Nein“, ich schüttelte leicht den Kopf.
„Das ist vielleicht auch besser so“, er senkt den Blick, wirkt zerknirscht, irgendwie schuldbewusst.
„Hast du mir was getan?“
„WAS?“, er zuckt richtig zusammen, seine Augen schauen mich groß an. „Wie kommst du denn darauf?“, jetzt greift er auch nach meiner anderen Hand und drückt beide fest. „Ich würde dir nie wehtun, Stella“, er schreit es fast hinaus.
„Das tust du aber doch“, ich lächele traurig.
„Ja… nein…“, er kratzt sich wieder am Hinterkopf. „Aber doch nicht körperlich… Du weißt schon, was ich meine…“
Er springt auf und läuft im Zimmer umher. „Ich hoffe doch auch, dass dies alles hier schnell vorüber ist…“
„Darf ich aufstehen ?“, frage ich ihn leise.
„Ich helfe dir.“
Sofort ist er an meiner Seite. „Falls dir schwindelig wird“, erklärt er mir, als er mich behutsam hochzieht.
„Geht es?“, erkundigt er sich besorgt.
Ich fühle mich wieder wacklig und der Raum beginnt sich leicht zu drehen. „Weiß nicht“, antworte ich ängstlich.
Er umklammert mich jetzt um die Taille. „Halt dich an mir fest“, raunt er mir zu.
Ich brauche ein paar Sekunden, um das Karussell in meinem Kopf loszuwerden, doch es gelingt schließlich.
Langsam gehen wir ins Badezimmer. „Ab hier kann ich es schon alleine“, räuspere ich mich verlegen.
„Ruf mich, wenn irgendetwas ist oder dir schlecht wird, ja?“, seine Stimme klingt richtig aufgeregt, wieder bedaure ich, dass er diese Maske trägt.
Ich bin unheimlich langsam in meinen Bewegungen, habe selber Angst, dass ich umkippen könnte. Doch ich schaffe es schließlich, mich zu waschen und sogar leicht abzuduschen und wieder anzuziehen.
‚Sieben Tage , oder?’ , schießt es durch meinen Kopf. ‚Eine ganze Woche’ , ich schlucke heftig, weil mir die Tränen in die Augen schießen. Ich muss an meine Eltern denken, meinen Bruder. Und an Jenny und Markus, meine engsten Freunde. Ich weiß, dass sie vor Sorge durchdrehen und das lässt mich genauso verrückt werden.
‚Werde ich sie wirklich wieder sehen?’ , Trauer erfasst mich, und ich kann nicht mehr gegen die Tränen ankämpfen. Ich lasse mich an den Fliesen hinabsinken, versuche, das Weinen einzudämmen, aber das kann ich nicht. Ich vergrabe meinen Kopf an meinen Knien, spüre, wie ein
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