Bittersuess
verselbstständigt, ich dränge mich an ihn, meine Hände krallen sich in seine Haare, sowie seine es bei mir tun.
„Du musst gehen, Stella“, murmelt er heiser.
„Ich kann nicht“, seufze ich auf und weder er noch ich machen Anstalten, diesen Moment zu beenden.
Immer wieder, immer heftiger küssen wir uns, alles in mir steht Kopf, m ein Blut beginnt zu kochen und ein Kribbeln durchflutet süß meinen Körper.
„Bitte – du musst…“, sagt er wieder und ich kann die Verzweiflung in seiner Stimme jetzt deutlich hören.
„Bitte geh – bevor ich dich nie wieder weg lasse!“, er schreit es fast hinaus und schiebt mich behutsam von sich.
Sein Gesicht spiegelt meine Qual wieder, ich kann nur den Kopf schütteln. „Ich kann nicht“, wiederhole ich mich.
Er nickt nur. „Doch, du kannst. Geh, Stella. Und ich will bald wieder dein hübsches Gesicht in der Zeitung sehen, damit ich weiß, dass es dir gut geht.“
Ich begreife, dass er es ernst meint, jetzt ist es also wirklich so weit. Ich schluchze laut auf, kann das Weinen nicht stoppen, kann die Verzweiflung nicht eindämmen.
Nicolas geht schnell zum Wagen, gibt mir die Taschenlampe und eine Tasche. Meine Tasche.
„Dein Handy ist nicht mehr da – aber alles andere schon“, sagt er.
Ich hänge mir wie mechanisch die Tasche um und schalte die Lampe ein.
„Pass auf dich auf, Stella“, flüstert er leise.
Ich kann nicht anders, ich umarme ihn erneut, wieder treffen sich unsere Lippen zu einem sehnsüchtigen Kuss.
„Du auf dich auch“, weine ich an seinem Mund.
„Klar“, er lächelt traurig, dann schiebt er mich entschlossen von sich. „Und jetzt los“, sagt er mit seiner sanften Stimme.
Ich trete einen Schritt von ihm zurück, schaue ihm noch einmal in die Augen. Ich kann erkennen, dass es in ihnen verräterisch glitzert.
5
Meine Beine sind wie aus Blei, aber ich zwinge mich dazu, mich umzudrehen. Ich weiß, dass ich jetzt das Richtige tun muss, aber i ch kann kaum etwas sehen, weil mein Blick verschwommen ist. Ich leuchte auf den Boden, entdecke den Weg und folge ihm.
Doch i mmer wieder drehe ich mich zu ihm herum, er steht unverändert vor dem Auto.
Ich kann es nicht verhindern, ich weine unkontrolliert und mein Schluchzen ist so laut, dass er es mit Sicherheit noch hören kann.
Ich weiß, wie lächerlich das doch ist, aber ich war in meinem ganzen Leben noch nie so unglücklich wie jetzt. Dabei müsste ich vor Freude laut aufschreien.
Ich stolpere, das musste ja unweigerlich passieren. Ich bin viel zu abgelenkt, um richtig auf die Beschaffenheit des Weges zu achten.
‚Jetzt pass auf, wo du hintrittst! Sonst brichst du dir noch den Hals, das wäre auch nicht gerade das ideale Ende deiner Entführung.’
Ich versuche, mich zu konzentrieren, doch immer wieder geht mein Blick zurück. Ich kann zwar das Auto nicht mehr sehen, weil der Weg eine Biegung gemacht hat, aber ich sehe noch schwach das Licht der Scheinwerfer. Er ist also immer noch da.
Wenn er mich jetzt rufen würde, ich würde sofort zurücklaufen, da bin ich mir sicher. Gegen alle Vernunft, ich würde es tun, auf der Stelle.
Doch er ruft nicht, auch nicht, wenn ich ganz angestrengt lausche. Stattdessen knackt es neben mir im Gebüsch und mein Herz macht einen ängstlichen Hüpfer.
Schnell gehe ich weiter. Weiter in die Richtung, die er mir genannt hat. Ich möchte gar nicht wissen, was das jetzt gewesen ist. Ich möchte endlich raus aus dem Wald sein.
‚Und? Freust du dich auf die Freiheit?’ , frage ich mich selbst und finde mich gerade wieder mal selbst zum kotzen. Wie kann ich mir diese Frage überhaupt ernsthaft stellen?
Doch e igentlich möchte ich was ganz anderes, aber der Gedanke ist so unmöglich, so unrealistisch und so unvernünftig, dass ich ihn mir sofort verbiete.
Ich kann erkennen, dass vor mir die Dunkelheit nicht mehr ganz so dicht ist. Ob dort die Straße ist?
Noch einmal drehe ich mich um, ganz entfernt, ganz leise, höre ich das Starten eines Motors.
Er fährt weg.
Und ich werde ihn nie mehr wieder sehen.
Erneut schießen mir die Tränen in die Augen, aber alles Heulen hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich muss zusehen, dass ich in die Stadt komme. Und ich muss ihn vergessen. Zumindest muss ich das versuchen.
Wie Nicolas gesagt hat, treffe ich auf eine Straße. Ich erinnere mich an seine Worte und halte mich rechts. Hier ist die Dunkelheit nicht mehr ganz so bedrückend wie im Wald, über mir kann ich ein paar Sterne erkennen und
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