Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bittersüße Heimat.

Bittersüße Heimat.

Titel: Bittersüße Heimat. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Necla Kelek
Vom Netzwerk:
AKP – Frauen den Islam.«
    Die AK P versuche, so Seraps Interpretation, die prominenten Frauen – besonders die ohne Kopftuch – mit dem Versprechen auf einen guten Listenplatz bei den nächsten Wahlen zu ködern und für sich zu gewinnen. »Das soll die Botschaft vermitteln: Ob mit oder ohne Kopftuch, Frauen haben bei uns ihren Platz. Damit wird die Freiwilligkeit des Kopftuchtragens demonstriert, und die modernen Frauen halten ihren unverschleierten Kopf dafür hin, die AKP – Frauen salonfähig zu machen.«
    Das Kopftuch, das Latife so demonstrativ abgelegt hatte, um den Frauen ein »öffentliches Gesicht« zu geben, sorgt heute wieder für Aufruhr. Es wird als Zeichen der kollektiven Identität propagiert, und jene, die Kopftuch oder Schleier überstreifen, mit deren Abschaffung unter Atatürk ein neues Kapitel in dem Verhältnis zwischen muslimischen Männern und Frauen aufgeschlagen werden sollte, gelten jetzt als die Wächterinnen der Tradition. Von den politischen Vertretern der Muslime wird dieser Rückschritt als »Freiheit« von Bevormundung verkauft. Dagegen allerdings protestieren viele Tausende. Die Republik droht an der Kopftuchfrage zu zerbrechen.
    Aber die Befürworter des Schleiers haben inzwischen einen neuen Leitstern am Himmel der Vorbilder ausgemacht: die Gattin des Staatspräsidenten, Hayrünnisa Gül.

First »türban« Lady
    Abdullah Gül, Staatspräsident der Republik Türkei, heiratete im Alter von dreißig Jahren die Frau, die seine Mutter für ihn aussuchte – Hayrünnisa, damals ein 15-jähriges Mädchen. Der türkischen Zeitung »Vakit« gaben ihre Eltern im August 2007 ein Interview, in dem sie aus dem Nähkästchen plauderten und öffentlich machten, wie die Ehe der beiden vor 27 Jahren zustande gekommen war.
    Auf einer Familienhochzeit in Kayseri sah Abdullah Güls Mutter die 15-jährige Hayrünnisa und ließ deren Mutter wissen: »Ein Feuer ist in meinem Herzen entfacht. Ich glaube, sie wird meine gelin , Schwiegertochter, werden.« Hayrünnisas Mutter lehnte ab. Ihre Tochter sei noch viel zu jung, sie solle erst einmal die Schule beenden und dann Medizin studieren. Doch die einflussreiche Familie Gül insistierte. Um ihrem Druck zu entkommen, zog Hayrünnisas Familie mit der Tochter zurück nach Istanbul. Aber die Güls gaben die Jagd nach der Braut nicht auf. Abdullahs Mutter versprach sogar, ihr Sohn werde das Mädchen weiter zur Schule schicken. Das brachte die Wende. Die Mutter von Hayrünnisa formuliert es knapp: »Wir haben uns mit den Älteren unserer Familie beraten und sie dann gegeben.«
    Die Frischvermählte ging nun keineswegs, wie versprochen, weiter zur Schule, sondern 1980, nach dem ersten Jahr des dreijährigen Gymnasiums, in der neunten Klasse von der Schule ab. Mit der Bestnote 10 in Religion. Leibesübungen: nicht teilgenommen. 22
› Hinweis
    Sie wurde gleich darauf Mutter und ging dann mit ihrem Mann für neun Jahre nach Saudi-Arabien. Er war dort bis 1991 Manager der Islamischen Entwicklungsbank. In dieser Zeit bekamen sie zwei weitere Kinder.
    1997 erhielt Hayrünnisa, »ohne dass sie einen Tag das Haus verlassen musste«, so die Mutter stolz, die Hochschulreife. Sie belegte einen Fernkurs. Da sie darauf bestand, mit türban zu studieren, verweigerte man ihr die Immatrikulation; ihr Mann machte daraus einen politischen Skandal. Gül war zunächst Abgeordneter der islamistischen Wohlfahrtspartei, dann bei der Tugendpartei und schließlich Gründungsmitglied der AK P Erdogans. Er wurde anstelle von Erdogan 2002 kurzzeitig Ministerpräsident, weil dieser noch mit einem Politikverbot belegt war. Als Erdogan dann im Frühjahr 2003 die Position des Ministerpräsidenten übernehmen konnte, wurde Gül sein Außenminister. Zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2007 präsentierte die AK P Gül als Kandidaten. Doch weniger die Kandidatur als vielmehr das Kopftuch seiner Frau rief in der säkularen Türkei eine wahre Staatskrise hervor, das Militär raunte Drohungen in die politische Landschaft, Massen demonstrierten, Neuwahlen wurden anberaumt. Diese Wahl hat Erdogans AK P klar gewonnen, und Gül wurde Präsident.
    Das »Recht aufs Kopftuch«
    Am 28. August 2007 ziehen Abdullah und Hayrünnisa Gül in den Präsidentenpalast ein. Die First Lady tritt, ganz anders als Atatürks Frau Latife, auch bei offiziellen Anlässen mit islamischem Kopftuch und langem Mantel auf. Die AK P hat im Parlament mithilfe der nationalistischen MH P ein Gesetz verabschiedet, das

Weitere Kostenlose Bücher