Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
sagte ich, krabbelte aus dem Bett und lief ins Wohnzimmer, um nach ihr zu sehen.
Sie schlief tief und friedlich, ein seliges Lächeln auf dem Gesicht, noch immer in meinem Parkettboden verwurzelt. Nur das Blut war vollkommen verschwunden. Die Knospen an ihren Fingerspitzen und auf ihrem Schädel hatten sich zu feinen Zweigen ausgewachsen, an denen zahlreiche weiße und rote Kirschblüten wuchsen. Ihr zarter Duft brachte einen Hauch von Frühling in mein Wohnzimmer. Sie stieß ein leises Geräusch aus, eine Art kindliches Schnarchen. Der Baum erzitterte, und ein Blütenschauer rieselte herab.
Sylvia ging’s offensichtlich gut, die konnte noch eine Weile so bleiben.
Ich lächelte. Um die Dryade brauchte ich mir momentan keine Sorgen zu machen. Und der Schaden an meinem Holzboden war mir auch egal. Dafür hatte ich einen wunderschönen Zimmerbaum.
Jetzt musste ich mich nur noch um den wunderschönen Vampir in meinem Bett kümmern.
Aber zuerst brauchte ich dringend was zu trinken. Meine Kehle fühlte sich an, als hätte ich einen Eimer voll Sand geschluckt. Ich ging in meine Küche, trank hastig zwei Gläser Wasser und holte dann den Wodka aus meinem Kühlschrank. Ich schenkte mir ein ordentliches Gläschen ein. Eiskalt und brennend rann er mir die Kehle hinab, sammelte sich in meinem Magen und verursachte ein warmes, wohliges Gefühl. Die Flasche in der einen, zwei Gläser in der anderen Hand, ging ich ins Schlafzimmer zurück. Die Tür stieß ich mit der Hüfte hinter mir zu.
Malik saß an einen Kissenberg gelehnt auf meinem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Augen geschlossen. Ich runzelte die Stirn. Etwas an dieser entspannten Pose kam mir irgendwie aufgesetzt vor …
Mein Blick blieb an dem seidigen schwarzen Dreieck seiner krausen Brustbehaarung haften und folgte der sich verjüngenden Linie bis zum Bund seiner tief sitzenden Lederhose. Dann fiel mein Blick auf die Narbe auf seiner linken Brustseite. Eine rosenförmige Narbe, dicht unterhalb seiner Rippen. Ich selbst hatte ihm diese Narbe beigebracht, mit einem Dolchstoß. Und ich hatte ihn auch dort gebissen, hatte sein herrliches dickes Blut getrunken. Mein Magen knurrte hungrig, das Wasser lief mir im Mund zusammen. Unschlüssig trat ich einen Schritt näher, hin und her gerissen zwischen Lust und Durst.
Die Wodkaflasche traf mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf und brachte mich wieder zur Besinnung. Sicher, er war umwerfend attraktiv und überhaupt zum Anbeißen, aber deshalb musste ich doch nicht gleich so ins Sabbern geraten. Ich warf einen bösen Blick auf die Flasche zu meinen Füßen und bemerkte dabei einen dicken gelben Bluterguss an meinem linken Fußgelenk. Was war bloß los mit mir? Wieso hatte ich das starke Bedürfnis, meine Fangzähne in sein Fleisch zu bohren?
Aber ich hatte gar keine Fangzähne.
Er dagegen schon. Kacke. Der Vamp hielt sich noch immer in meinem Kopf auf, und es waren seine Bedürfnisse, die ich auffing. In der Traumsicht auf der Tower Bridge war etwas Ähnliches passiert, nur das hier war viel stärker, beinahe so, als würde ich mich in seinem Kopf befinden, nicht er sich in meinem. Neugierig machte auch ich die Augen zu und begann, mich vorsichtig durch seine Gefühle zu tasten. Durst, Hunger, Lust, Sehnsucht und noch etwas, etwas Undefinierbares. Wie Wellen schwappten seine Gefühle über mich hinweg, rissen mich hin und her wie in einer unruhigen See. Das Bewusstsein, dass es nur seine Unentschiedenheit war, die ihn davon abhielt, einem oder mehreren dieser Gefühle nachzugeben, ließ mich schaudern. Dann tauchte ich ab, ließ mich tiefer sinken und stieß auf eine glatte, schwarze, uralte See, alt und beherrscht, und da wurde mir klar, dass die Wellen nur eine Kleinigkeit waren. Unter der Oberfläche dieser See jedoch wallte etwas Mächtiges, eine Erinnerung, die mich unwiderstehlich anzog. Ich stieß mich ab und fand mich plötzlich am Boden sitzend wieder. Mein Kopf schwirrte, ich musste hingeplumpst sein.
»Ich zöge es vor, wenn du dich von meinem Kopf fernhalten würdest, Genevieve«, drang Maliks ruhige Stimme an mein rauschendes Ohr.
»Ach ja?«, schimpfte ich und sah, dass die Wodkaflasche unter mein Bett gerollt war zwischen das Durcheinander aus Schuhen, das sich darunter verbarg. »Wie wär’s dann, wenn du dich aus meinem Kopf raushalten würdest?«
»Wie du wünschst.«
Ich spürte, wie sich etwas in meinem Kopf löste – und dann hatte ich auf einmal das Gefühl, vollkommen
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