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Bittersuesser Verrat

Bittersuesser Verrat

Titel: Bittersuesser Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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aussah. Sie trug reines, kaltes Weiß und ihre Lippen schienen beinahe blau zu sein. Ihre Augen schimmerten eher silbern als grau, aber vielleicht lag das auch an dem metallischen Schimmer ihrer Bluse, die sie unter der maßgeschneiderten Jacke trug.
    Claire fragte sich, weshalb sie sich die Mühe machte, sich so akkurat zu kleiden, wenn sie doch kaum ihr Haus verließ, wie es zurzeit der Fall war; wahrscheinlich wurde perfektes Aussehen zu einer Gewohnheit, die man nicht so einfach abschütteln konnte, wenn man als Mitglied der Königsfamilie aufgewachsen war.
    Amelie zeigte sich nur wenig schockiert über die Nachricht, dass Banden ihre Vampire verprügelten; sie saß mit gefalteten Händen da, strahlte Gelassenheit und Ruhe aus und hörte sich, ohne eine Miene zu verziehen, an, was Shane und Claire erlebt hatten. Als Claire die Handvoll gezogener Vampirzähne beschrieb, die sie gesehen hatte, huschte etwas über ihr Gesicht, aber Claire konnte nicht erkennen, was für eine Gefühlsregung das gewesen sein konnte. Ekel vielleicht oder Schmerz. »Ist das alles?« fragte Amelie. Sie klang viel zu distanziert. »Was ist mit Morley? Habt ihr gesehen, wohin er gegangen ist?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Claire. »Er sah - verletzt aus. Vielleicht war er schwer verletzt.«
    »Das habe ich befürchtet«, sagte Amelie und stand auf, um auf und ab zu gehen.
    »Was hast du befürchtet?«, fragte Michael. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Tür und sah sehr ernst aus. »Dass du die Kontrolle verlierst?«
    Amelie blieb stehen und blickte finster auf die kaputte Stehlampe. Dann fuhr sie mit ihren bleichen Fingern über das Metall an dem sauberen Schnitt. »Dass die Menschen die Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen verlieren, wenn ich zu nachsichtig bin«, sagte sie. »Es gab einen Grund, weshalb die Gesetze von Morganville existierten. Sie sollten die wenigen Starken vor den vielen Schwachen schützen. Selbst ein Riese kann Insektenstichen erliegen, wenn es genügend sind.«
    »Das haben Sie mit diesen Gesetzen aber nicht erreicht«, sagte Shane. »Die Gesetze machten es Vampiren nur noch leichter, uns umzubringen, ohne dass den Menschen zugestanden wurde zurückzuschlagen.«
    Amelie warf ihm einen Blick zu, reagierte aber sonst nicht. »Ich habe Berichte von anderen Zwischenfällen erhalten, die weniger gravierend waren wie dieser. Wie es aussieht, werden diese Schlägerbanden immer dreister, und das muss aufhören.«
    »Sie sagten etwas davon, dass Morley ein kleines Mädchen umgebracht hätte«, sagte Shane. »Was halten Sie davon?«
    »Das bezweifle ich.« Amelie sah ihm einen Moment lang in die Augen, dann ging sie weiter auf und ab. »Ich habe keine Berichte darüber, dass Kinder zu Schaden kamen. Wie ihr wisst, verstößt das gegen unsere Gesetze - die der Vampire und die der Menschen. Ich kann nicht behaupten, dass so etwas nicht vorkommt, aber das passiert auch in der menschlichen Gesellschaft, oder?«
    »Das kann schon sein, aber warum lassen sie das dann an Morley aus?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Morley ist ein leichtes Ziel, wie alle Vampire, die kein Bündnis eingehen. Sie sind mächtig, aber auch verwundbar. Morley lebt schon lange als Obdachloser und allein. Es überrascht mich nicht, dass die Menschen sich an denen rächen, die am leichtesten zu jagen sind. In anderen Städten werden Obdachlose auch zu Opfern, oder?«
    »Wollen Sie nichts dagegen unternehmen?«, fragte Claire.
    »Es gibt Gesetze. Ich nehme an, sie finden Anwendung. Bis diese Schläger gefangen und bestraft werden, werde ich alle Vampire ermahnen, vorsichtig zu sein.« Amelie lächelte träge. »Und ich werde ihnen natürlich mehr Spielraum bei ihrer Selbstverteidigung geben. Das sollte all diese Dinge rasch beenden.«
    Claire war sich da nicht so sicher. Zuerst war Morley Amelie gegenüber total aggressiv geworden und dann hatte Oliver, wie es aussah, ihr Lager verlassen und sich als Anwärter auf den Thron aufgespielt. Jetzt liefen hier auch noch Menschen herum, die Ärger suchten. Und Amelie schien einfach... neben sich zu stehen.
    So sehr sie sich auch bemüht hatte, Morganville zusammenzuhalten, so sehr schien jetzt alles um sie herum zusammenzubrechen.
    »Ich glaube, ich habe genug gehört«, sagte Amelie. »Ihr könnt jetzt gehen. Ihr alle.«
    Sie ging weiterhin auf und ab, als hätte sie nicht vor, das Haus zu verlassen. Claire blieb ein wenig zurück und beobachtete sie, während die anderen die Treppe hinuntergingen.

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