Bittersuesser Verrat

ja, so was in der Richtung - eine Art Spottdokumentation.« Kim zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich auf das, was immer sie da gerade auf dem kleinen Bildschirm ihres Camcorders sah. »Nur mit Vampiren.«
    »Du filmst die Vampire?«
    »Na ja, nicht offiziell. Es ist ein Hobby.«
    Ein gefährliches Hobby, aber Claire nahm an, dass Kim das wusste. »Film einfach nicht mich, okay?«
    »Im Ernst? Ich mache einen Star aus dir!«
    »Ich will kein Star sein.«
    Als sie wegging, sagte Kim vorwurfsvoll: »Aber jeder möchte ein Star sein.«

8
     
    Der Rest des Tages verlief einigermaßen ruhig. Claire besuchte Eve in der Cafeteria, aber die redete nur über das Stück, wie cool es sei, wie toll sie als Blanche DuBois sein würde und dass sie vorhatte, einen schwarzen Slip mit Totenkopfmuster anzuziehen, anstatt den weißen, den die Kostüm-Leute wollten... Und wenn sie nicht gerade begeistert über das Stück erzählte, dann ging es ausschließlich um Kim. Kim, Kim, Kim.
    »Coole Kette«, sagte Claire aus ihrer Verzweiflung heraus und zeigte auf Eves Hals. Sie war cool - so ein Tribal-Drachen-Anhänger voller Winkel und unheilvoller Kurven. Eve berührte ihn mit den Fingerspitzen und lächelte.
    »Ja«, sagte sie. »Das hat mir Michael geschenkt. Nicht schlecht, oder?«
    »Ganz und gar nicht schlecht. Sag mal, hast du Shanes Zimmer sauber gemacht?«
    »Genau genommen, habe ich nur Staub gesaugt und gewischt. Aufgesammelt hat er alles selbst. Warum, hat er gesagt, dass ich alles gemacht hätte? Jungslüge.«
    »In Bezug aufs Putzen?«
    Eve biss in ihren Blaubeermuffin und nahm einen Schluck Kaffee. »Warum nicht? Sie denken doch immer, wenn sie putzen, wirken sie nicht mehr wie Männer. Huch, sorry, Claire-Bär, muss los. Boss nix mögen Pause. Sehen wir uns später?«
    »Klar.« Claire rutschte von ihrem Stuhl und nahm ihre Unitasche. »Wir sehen uns dann zu Hause.«
    »Oh, du solltest unbedingt mal bei der Probe vorbeischauen! Um drei im Auditorium. Du weißt, wo das ist?«
    Claire wusste es, auch wenn sie noch nie dort gewesen war – war sozusagen das Bürgerhaus der Stadt und lag in der Nähe des Founder's Square, der in Vamptown lag. Wie die meisten Menschen in Morganville hatte sie kein gesteigertes Interesse daran, bei Nacht dorthin zu gehen.
    Drei Uhr nachmittags hingegen... das klang zumutbar. »Ich werde es versuchen«, sagte Claire. »Und wie läuft es mit Oliver? Ich weiß, du hast dir Sorgen wegen ihm gemacht. Ist es okay, dass er in dem Stück mitspielt?«
    »Ach, eigentlich schon. Er ist gar nicht schlecht! Ich glaube fast, er ist doch nicht so ein Kontrollfreak. Zumindest meistens.« Eve blickte über ihre Schulter. Als ihr Boss sie zu sich winkte, machte sie ein ängstliches Gesicht und verabschiedete sich.
    Claire beschloss, dass sie es nicht länger aufschieben konnte, und zog ihr Handy heraus. Sie hatte ein Programm geschrieben und hochgeladen, durch das sie mit dem Handy verfügbare Portale aufspüren und anzeigen lassen konnte. Gemäß den Theorien, die sie neulich in Myrnins Labor gelesen hatte, bekam es Menschen nicht so gut, wenn sie ein Portal mit Gewalt öffneten, so wie es die Vampire machten. Mit der Zeit veränderten sich die Menschen nämlich. Und Claire hatte beschlossen, dass sie ihre normale Anordnung von Augen, Ohren und Nase mochte - ja klar, Picasso gefiel ihr, aber sie wollte nicht eines seiner Gemälde werden.
    Deshalb suchte sie nach einem offenen Portal, wobei offen bedeutete, dass es sich in einem niedrigen Verfügbarkeitsniveau befand, nicht unbedingt aktiv. Sie fand ein offenes Portal auf dem Universitätsgelände und das befand sich im Verwaltungsgebäude.
    Sie mischte sich unter die anderen Studenten, die auf dem Weg dorthin waren, und wie gewöhnlich war der Teil des Verwaltungsgebäudes, wo das Portal war, leer. Der kettenrauchende Drache von Sekretärin, der am Eingang saß, nickte ihr wie selbstverständlich zu; offenbar war sie darüber informiert, dass Claire solche Dinge tat - eine angenehme Entwicklung.
    Durch das Portal zu gehen, war ein bisschen so, als würde sie ein Eisbad nehmen, das etwa eine Mikrosekunde lang dauert; es fühlte sich an, als würde jede einzelne ihrer Körperzellen einen Schock bekommen, aufwachen, aufschreien und dann sofort wieder normal werden. Nicht direkt angenehm, aber... unvergesslich. Normalerweise fühlte es sich nicht so an und Claire spürte eine eindeutige Beklommenheit in sich hochkriechen. Wenn das Portalsystem aus den Fugen