Bittersüßes 7. Jahr
Blankoschecks mitgegeben. Wer sich sechs Jahre kaum um seine Frau gekümmert hat, soll im siebten merken, daß er verheiratet ist!
Nach der Einkleidung, Bornemeyer lernte aus eigener Sicht den Satz ›Kleider machen Leute‹ kennen und bestätigt, ging er, diesmal mit einem hellen, herrlichen Lederkoffer für Luftreisende, in ein bekanntes Lokal der Düsseldorfer Altstadt, aß ein Steak auf englisch, ließ sich das internationale Hotelverzeichnis bringen und studierte in schöpferischer Stille die angegebenen Vorzüge seiner ›Seeschwalbe‹ auf Borkum und seine eigene Rolle.
Ich werde ab jetzt ein steinreicher Autohändler aus Genua sein. Ich heiße klangvoll: Signore Ermano Ferro.
Das Geld hatte er, die Kleidung auch. Es fehlte nur noch das Aussehen. Das notwendige Temperament traute sich Bornemeyer in einem Anfall von Größenwahn zu.
Nach dem Abendessen gab er seinen Koffer als Reisegepäck auf (ein vornehmer Mann schleppt sich nicht mit einem Koffer herum), bummelte dann noch etwas, als Abschied gewissermaßen, über die Königsallee und ging dann zu einem bekannten Friseur.
»Seien Sie nicht erstaunt«, sagte Bornemeyer, »wenn Sie jetzt meine Wünsche hören: Ich möchte einen kleinen, schwarzen Bart unter der Nase, aber nicht einen in unlieber historischer Erinnerung, sondern so einen schmalen, frauenmordenden, wissen Sie, einen mittelbraunen, nicht abfärbenden, südländischen Teint und pechschwarze, glänzende Haare. Sie verstehen?«
Der Friseur nickte und sah sich um. Es hatte den Anschein, daß er Hilfe suchte. Bornemeyer lachte.
»Nein, Sie denken falsch«, sagte er. »Ich bin kein gesuchter Verbrecher. Ich bin auch kein aus der Heilanstalt Entsprungener. Ich bin Assessor Bornemeyer, die rechte Hand von Dr. Portz.«
»Kenne ich«, sagte der Friseur aufatmend.
»Und ich bin lediglich verliebt. Das ist alles. Das Mädchen möchte einen südländischen Typ.«
Wer hat mehr Verständnis für Verliebte als ein Düsseldorfer Friseur? Verliebte und Verrückte sind Zwillinge.
Der Friseur lachte zurück und nickte.
»Ich werde aus Ihnen einen Italiener zaubern, wie er im Bilderbuch stehen könnte.«
Zwei Stunden hielt Bornemeyer die Prozedur aus. Er wurde gewaschen, geschnitten, gefärbt, unter Heißlufthauben gesetzt, mit Lockenwicklern gespickt, massiert, wieder heiß beblasen, kurzum: Die Geburt des neuen Menschen ging durch das Fegefeuer der Geduld und Duldung.
Der Spiegel aber wurde zum Zauberkasten. Bornemeyer benötigte einige Zeit, um zu begreifen, daß er es war, dessen Verwandlung er betrachtete.
Das blasse Gesicht wurde südländisch braun.
Das strohige Haar glänzte pechschwarz in kleinen, geringelten Locken.
Unter der Nase, sie war fast römisch, leuchtete ein schmales, flottes Bärtchen.
Kaum begriff er das Phänomen, daß seine Augen leuchteten und Blitze schossen.
»Wunderbar«, sagte er, ehrlich erschüttert. »Einfach wunderbar!«
Er kam sich fast unheimlich vor.
Die dicke Hornbrille, die er trug, verschwand in der Jackentasche. Ein glitzerndes Monokel warf die Strahlen der Lampe zurück.
Ermano Ferro aus Genua erhob sich aus dem Friseurstuhl.
Der kleine Assessor Hubert Bornemeyer blieb in Düsseldorf zurück.
Noch einmal warf Bornemeyer einen Blick in den Zauberspiegel. Dann reckte er sich. Sein Mund, unter dem flotten Schnurrbart, bekam ein maliziöses Lächeln. Toll, dachte Bornemeyer. Einfach toll. Was solch ein Schnurrbart macht! Vielleicht liegt hier ein Geheimnis der nahen Vergangenheit.
»Exzellent«, sagte Bornemeyer-Ferro zu dem Friseur und bezahlte mit großer Geste. »Sie aben ganzes Arbeit geleistet. Isch binn Ihnen serr dankbarr.«
Der Friseur bog sich vor Lachen. »Arrivederci, signore«, rief er und hielt die Tür auf.
Würdevoll verließ Bornemeyer den Salon. Der Friseur starrte ihm nach, wie er mit durchgedrücktem Kreuz davonging.
»Es muß auch solche geben!« sagte er zu sich. »Was wäre das Leben ohne Idioten?«
Bornemeyer-Ferro ging über die Graf-Adolf-Straße. Er sah wohlgefällig, wie die Mädchen ihm nachblickten und tuschelnd die Köpfe zusammensteckten. Da wölbte er die Brust noch mehr hinaus, lächelte den Mädchen zu und nahm mit seligem Herzen wahr, daß sie erröteten.
Ermano Ferro ging zum Bahnhof zurück. Seine Umwandlung war vollendet. Im Wartesaal 1. Klasse ließ er die Kellner springen wie Känguruhs. Es war eine Wonne, nur mit dem Finger zu winken, um zu sehen, wie Leben in die träge Masse Mensch kam.
Als Assessor
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