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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Portz schüttelte den Kopf und starrte zu dem langen Bornemeyer empor.
    Der Junge hat eine Auffassung vom Leben, dachte er. Voller Ideale. Voll erlernter Moral! Wie will er mit diesem Ballast bloß weiterkommen?
    »Bornemeyer«, sagte er ernst. »Sie sind zu mir gekommen, um sich bei mir einzuarbeiten. In einen schweren Beruf, Bornemeyer. Sie wollen einmal ein guter Anwalt werden. Sehr schön. Das Zeug dazu haben Sie. Sie sind fleißig. Sie sind gewissenhaft. Sie sind ein Arbeitstier. Sie sind korrekt. Sie denken geradlinig. Alles sehr schön und sehr fleißig. Aber manchmal denken Sie zu schulmäßig. Das Leben verlangt oft Improvisationen. Ja, es ist selbst fast nur eine Improvisation. Nicht allein auf die Korrektheiten kommt es oft an, sondern viel öfter auf die Extempores. Und noch eine Weisheit gebe ich Ihnen mit auf den Lebensweg: Wenn jemals jemand bewacht werden muß, ist es stets die Frau!«
    »Aber das ist doch völlig unlogisch!«
    »Logisch, Bornemeyer, logisch! Denken Sie um! In welcher Welt leben Sie überhaupt? Haben Sie schon ein Leben gesehen, das logisch abläuft? Nichts durchbricht die Gesetze der Logik so oft und gründlich wie das menschliche Dasein. Blicken Sie doch in unsere Akten, Bornemeyer. Kramen Sie in unserem Archiv herum, blasen Sie den Staub der letzten zehn Jahre von den Deckeln und lesen Sie. Es ist ein babylonischer Turmbau aus Unlogik, Inkonsequenz und menschlichen Schwächen. Wenn das Leben immer und ewig logisch wäre, pfui Deibel, wie langweilig wäre es dann. Und verdienen würden wir auch nichts.«
    Dr. Portz winkte ab. Sein Gesicht war gerötet.
    Hoffnungsloser Fall, wirklich, dachte er. Ein Jurist mit solchen überlebten Idealen ist wie ein Schornsteinfeger mit Schwindelgefühlen.
    Als unsere Großväter noch Vollbärte trugen und unsere Großmütterchen Fischbeinstäbchen in den hohen Kragen, da war dieser Bornemeyer richtig am Platze. Aber Nietenhosen, auch geistige, verlangen eine Umstellung der Lebensmoral.
    »Reden wir von etwas anderem«, sagte er mit Energie. »Es bleibt dabei: Sie fahren auf Kosten der Firma nach Borkum. Sie werden zum Schatten von Frau Sacher. Sie lassen sie nicht aus den Augen. Sie kleben sich an ihre Fersen!«
    »Und nachts?«
    »Nachts wird sie schlafen.«
    »Nehmen wir an, daß Frau Sacher nicht des Nachts …«
    »Bornemeyer! Sie komplizieren wieder alles! Natürlich schläft sie!«
    »Natürlich. Aber es kann sein, daß …«
    »Wenn Sie immer hinter ihr bleiben, werden Sie ja sehen, was sie tut. Mein Gott, muß ich Ihnen alles vorkauen? Sie passen auf, weiter nichts! Und wenn Frau Sacher von Borkum wegfahren sollte, Sie fahren hinterher! Alles wird bezahlt! Und wenn's bis nach Rio de Janeiro ist.«
    »Wer bezahlt es denn?«
    »Der Ehemann! Eine Ehe zu scheiden, ist relativ billig, eine Ehe zu flicken, ist teurer, als einem Haus einen neuen Balkon zu geben.« Dr. Portz schnaufte. Lange Reden machten ihn kurzatmig. Er wog vierzig Pfund zuviel, das war es. Und weil er es wußte, hielt er nicht gerne lange Reden.
    »Jeden dritten Tag schicken Sie mir einen Bericht, einen genauen Bericht! Mit allen Einzelheiten, Uhrzeiten, Orten und, falls vorhanden, mit Angaben der Zeugen.«
    »Wie Sie es wünschen.« Assessor Bornemeyer fuhr sich mit dem Zeigefinger in den Hemdkragen. Er schien plötzlich zu eng geworden zu sein. Er schwitzte sogar.
    »Und wenn mich die gnädige Frau wiedererkennt?«
    »Menschenskind, Bornemeyer! Lesen Sie mehr Wallace oder Agatha Christie! Natürlich werden Sie nicht als Assessor Bornemeyer nach Borkum gehen. Kleben Sie sich einen Bart an.«
    »Einen Bart?« sagte Bornemeyer. Ein gelbsuchterregender Widerwille schwang in seiner Stimme.
    »Lassen Sie sich die Haare färben, sprechen Sie französisch, kriechen Sie in eine andere Haut. Auf jeden Fall, wie Sie's schaffen, ist mir egal, melden Sie mir pünktlich, was Sie sehen!«
    Bornemeyer zuckte mit den Schultern. »Ich werde alles versuchen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß ich nicht gut französisch spreche.«
    »Dann reden Sie italienisch oder Sanskrit, zum Teufel!«
    »Vom Italienischen kenne ich nur das Wort Amore.«
    »Normalerweise genügt das auch! Aber hier, Himmel noch mal, lassen Sie sich etwas einfallen!« Dr. Portz sprang auf und stützte sich mit beiden Armen auf seinen Schreibtisch. Er sah Bornemeyer an, als wolle er ihn hypnotisieren. »Sie fahren noch heute mit dem Nachtzug nach Emden, Außenhafen, und können morgen früh mit der Flut auf Borkum

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