Bittersüßes 7. Jahr
wird.
»Kommen Sie in vier Wochen wieder«, sagte Ferro laut. »Ich werde Sie in Bremen erwarten.«
»In vier Wochen, Herr Ferro? Ich bitte Sie! Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende eines Riesenwerkes. Ich werde dafür sorgen, daß alle Aufsichtsratsmitglieder Ihren Wagen fahren! Ich kaufe Ihre Neukonstruktion!«
»Sie ist noch in der Erprobung!« schrie Ferro gequält auf.
»Dann räumen Sie mir eine Option auf die ersten zwanzig Stück ein! Wir müssen darüber sprechen! Ich zahle fünfzig Prozent an! Ist das ein Angebot?« Der Baron kam in Eifer. Er schob den Panamahut in den Nacken und kam die Düne herab. »Welche Firma bringt denn den Wagen?«
Die Frage! Da ist sie! Ferro-Bornemeyer sah in den wolkenlosen, hellblauen Himmel. Ich möchte ein Wassertröpfchen sein, dachte er, und jetzt von der Sonne aufgesaugt werden. Pff, und weg, das wäre herrlich. Aber er war kein Wassertröpfchen, obgleich der Mensch zu achtundneunzig Prozent aus Wasser besteht, und verdunstete nicht.
»Ich vertrete die Firma ›Pneumastica‹«, sagte er frech.
Bergenfeldt schaute Ferro einen Augenblick verdutzt an. Man sah, wie seine Gedanken arbeiteten, wie sie suchten, wie sie sich erinnern wollten. Da es vergeblich war, schüttelte er den Kopf.
»Ich kenne alle italienischen Autofirmen. Doch der Name ›Pneumastica‹, vergeben Sie mir, Herr Ferro, dieser Name ist mir nicht haften geblieben.«
»Was?!« Ermano Ferro war tief gekränkt. Bornemeyer spielte es vorzüglich. Sein Monokel entfiel dem Auge und klatschte auf die nackte Brust. Er sah sogar Sabine an, als könne sie ihm bei diesem Affront des Barons zu Hilfe eilen.
»Sie kennen die alte Firma ›Pneumastica‹ nicht? Dreimal haben wir die Goldmedaille gewonnen! Wir haben auf den Weltausstellungen in Paris, Chikago und Brüssel die meisten Aufträge bekommen!« Hoffentlich war in Chikago eine Weltausstellung, dachte er. »Der Kaiser von Siam und der Radschah von Brimopur fahren nur unsere ›Pneumasticas‹! Beim letzten Rennen in Rio haben wir den zweiten Preis gemacht – und Sie kennen unsere Firma nicht! Sie sehen mich völlig entsetzt, Baron!«
»Erstaunlich! Wirklich erstaunlich!« Bergenfeldt wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das Alter, Herr Ferro. Die Erinnerungen versagen. Aber ich werde vom Hotel aus gleich meinen Sekretär anrufen, damit er in der Liste der italienischen Wagen nachsieht. Es soll nie wieder vorkommen.« Er ergriff Sabines Hand und küßte sie galant. Unter Bornemeyer schwankte der Dünenboden. Er läßt nachsehen, dachte er. O Gott! O Gott!
Der Baron hielt noch immer Sabines Hand fest.
»Geben Sir mir Gelegenheit, es wiedergutzumachen, Gnädigste«, sagte er. »Erweisen Sie mir die Ehre«, er wandte sich an Ferro, »Sie und Ihre Frau Gemahlin zu einem kleinen Souper zu laden.«
Bornemeyer erkannte die Alternative sofort. Es gab nur zwei Wege, und jeder Weg war beschämend. Entweder er nahm die Einladung an und wurde dabei kläglich entlarvt, oder er flüchtete von Borkum und verkroch sich irgendwo. Doch wohin flüchten?
»Um acht Uhr, morgen abend?« fragte v. Bergenfeldt. »Ist es Ihnen recht?«
»Ist es uns recht?« fragte Ferro zu Sabine hin.
»Einverstanden«, sagte sie und blinzelte ihm zu.
Sie nimmt es als Scherz hin, was für mich eine bittere Situation ist! Mit zitternden Fingern klemmte er das Monokel wieder ins Auge.
»Also gut, morgen um acht Uhr abends!«
Der Baron zog seinen Panamahut und entfernte sich diskret schnell. Zurück ließ er einen fast verzweifelten Bornemeyer und eine lachende Sabine Sacher.
»Er hält uns für ein Ehepaar!« sagte sie fröhlich.
»Allein dieser Gedanke macht mich benommen.« Ferro meinte es ehrlich. Sabine nahm es als ein sehr galantes Kompliment und wandte sich errötend ab.
Weg aus Borkum, dachte Ferro. Nur weg von hier. Aber wohin fährt man mit einer schönen Frau? Allein zu fahren, verwarf Ferro. Einmal in seinem Leben hatte er es geschafft, eine schöne Frau zu erobern. Jetzt klammerte er sich an diesen Höhepunkt seines Lebens und war nicht bereit, ihn wieder herzugeben.
Verliebte, Seitensprüngler, Brautleute und müde Ehemänner mit neuerwachten Ambitionen reisen nach Venedig. Aber Venedig liegt in Italien, und was soll ein Italiener, der keiner ist, in Italien. Zumindest muß er seine Muttersprache sprechen. Venedig war also undiskutabel.
Die Riviera! Wer sich an der Riviera nicht verliebt, muß anormal sein. Das blaue Mittelmeer, die weißen Villen unter Palmen und
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