Bittersüßes 7. Jahr
Agaven, die Eleganz, Lebensfreude und Großzügigkeit und vor allem die Hoteldirektoren, die einen Meldezettel nicht durchlesen und das ›mit Frau‹ gelassen hinnehmen.
Langsam gingen Ferro und Sabine durch die Dünen zur Promenade. Sie sprachen kaum, nur ein paar belanglose Bemerkungen. Selbst als Sabine sagte: »Gratuliere, Ermano! In den Ferien ein dicker Abschluß«, zwang er sich nur zu einem schiefen Lächeln.
Wohin? grübelte er. Wohin bloß? Und wie sage ich es Sabine Sacher? Freiwillig wird sie nie mitgehen!
Sabine ging neben ihm her. Sie hatte den Arm unter seinen Arm geschoben. Sie spürte durch den Bademantel die Wärme seines Körpers. Wie soll das weitergehen, dachte sie wieder. Es ist ja Wahnsinn, was ich hier tue!
Sie drückte den Arm gegen seine Seite. »Warum so still?« fragte sie.
Ferro schrak zusammen. »Vergebung, Madonna!« sagte er stockend. »Es ist nur …« Er blieb stehen und nahm ihre Hände, küßte sie und sah sie feurig an. Daß ihm das noch gelang, war selbst für ihn verblüffend. »Favorita, hast du Lust, eine kleine Reise zu machen?«
»Eine Reise? Mit dir?« Sabines Herz setzte einen Augenblick aus. Es wird Ernst, dachte sie. Was soll ich tun? Im letzten Moment fiel ihr ein, was jeden Mann von weiterem Drängen abhalten mußte: »Aber ich muß doch in Borkum bleiben! Vielleicht kommt in Kürze mein Mann.«
Das weiß ich besser, dachte Bornemeyer. Anstatt sich zurückzuziehen, wurde er zur größten Verblüffung Sabines doppelt so feurig.
»Immer dein Mann! Immer! Ich werde wild!« rief er. »Ja, ich könnte ihn ermorden! Erdolchen, das ist eine Spezialität meiner Familie! Seit der Renaissance erdolchen wir uns! Oh!« Er umarmte sie, ungeachtet der Passanten, die über die Promenade gingen und diskret die Szene übersehen wollten. »Komm mit mir, Madonna! Ich flehe dich an! Ich habe ein Telegramm bekommen! Ich muß nach Frankreich.«
Sabines Kopf flog herum. »Nach Paris?!« rief sie begeistert. Peter! Zu Peter!
»Nein, nicht Paris! Ich muß ans Mittelmeer. Nach Nizza!«
Nizza fiel Bornemeyer beim Sprechen ein. Als er es gesagt hatte, bekam er eine heillose Angst vor den Konsequenzen. Nicht nur Borkum, sondern auch Nizza mußte Dr. Portz bezahlen! Ob er es tat, war eine Frage, die in den Sternen lag. Außerdem war Nizza weit. Man mußte nur eine Begründung finden, die Dr. Portz anerkannte.
»Nizza ist ein Garten Eden!« sagte Ferro schwärmerisch. »Kennst du Nizza?«
»Nein.«
»Ein Paradies! Und ich sehne die Stunde herbei, in der du zu mir als Schlange kommst.«
»Sie wird beißen!« sagte Sabine kritisch.
»Ich werde den Biß mit einem goldenen Medaillon einrahmen!«
»Du bist ein unverbesserlicher Charmeur.«
Sie lachte und ging weiter. Ferro trottete hinter ihr her.
In ihrem gemeinsamen Zimmer trennte sie wieder die spanische Wand. Sie zogen sich um. Bornemeyer saß in Unterhosen auf seinem Bett und hatte Angst vor seinem eigenen Mut.
»Ist es dir recht, wenn wir schon morgen fahren?« fragte er.
Sabines Lachen girrte durch die spanische Wand. Ein Parfümzerstäuber zischte. Es roch nach frischen Maiglöckchen.
»Ich habe ja gar nicht gesagt, daß ich mitfahre!«
»Ich setze es voraus, Madonna!«
»Wie selbstherrlich! Und wenn ich nein sage?«
»Du sagst nicht nein! Ich weiß, du bist auf Nizza viel zu neugierig, um nein zu sagen! Es reizt dich, im Paradies die Schlange zu spielen! Welche Frau wäre nicht neugierig auf Nizza?«
»Ich.«
»Du lügst! Verzeih, Favorita, aber du lügst! Es liegt nur an der Geschicklichkeit des Mannes, ob eine Frau nach einer Stunde oder nach einem Jahr ›Ja‹ sagt!«
»Und wieviel Zeit gibst du mir, Ermano?«
»Im höchsten Fall eine Minute!«
»Pfui!« Sie lachte dabei, aber dieses Lachen war vermischt mit Angst. Bornemeyer nahm es als klare Antwort hin.
Im Speisesaal des ›Seeadler‹ erwartete Ferro eine unangenehme Überraschung. Die Post war mit dem Schiff gekommen und gerade verteilt worden.
Kaum saß er mit Sabine Sacher am Tisch und war damit beschäftigt, eine knusprig gebackene Seezunge ›Müllerin Art‹ von den Gräten zu schälen, als der Boy zuerst Sabine, dann Ferro ein gelbes Kuvert überreichte.
Telegramme!
»Bitte entschuldige einen Augenblick«, sagte Ferro mit einem unguten Gefühl im Magen. Er machte dabei ein Gesicht, als stinke die herrliche Seezunge, schlitzte das Kuvert auf und las zuerst die Unterschrift.
Dr. Portz. Bornemeyer biß sich auf die Lippen. Das Telegramm
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