bK-Gruen, Sara
verletzt. Heute wurde das Haus des
Universitätsdirektors verwüstet. Eine extremistische Tierschutzgruppe, die
Earth Liberation League, hat sich auf einem Video im Internet zu den Angriffen
bekannt, aber die Behörden müssen erst... Oh! Ach du meine Güte!»
Ein Knall
ertönte, die Kamera zeigte einen Mann, der ein Gewehr schulterte, dann die
Krone eines Baumes. Zuerst sah man nichts. Dann begann ein Bonobo zu schwanken.
Kreischend und heulend zogen die anderen den Betäubungspfeil aus seinem Bein,
aber es war zu spät. Der getroffene Bonobo - war es Sam oder Mbongo? Es war zu
dunkel und zu weit weg, als dass Isabel es erkennen konnte - brach zusammen und
stürzte aus dem Kreis behaarter schwarzer Arme, die versuchten, ihn aufrecht zu
halten. Noch ein Knall, noch ein Bonobo. Dieser schien mitten im Sturz
entzweizubrechen, beide Stücke kreiselten und taumelten durch die Äste. Ein
Teil landete mitten auf einem runden Sprungtuch, das von Feuerwehrmännern
gehalten wurde. Der andere Teil - Lola, wie Isabel jetzt erkannte - schlug auf
dem Rahmen auf und federte wieder in die Luft. Ein kollektives Stöhnen entfuhr
der Menschenmenge und dem Nachrichtenteam, als die Feuerwehrmänner mit
ausgestreckten Armen nach vorn sprangen.
Isabel
gab einen gedämpften Schrei von sich und versuchte mühsam, sich aufzusetzen.
Sie schlug der Schwester den Saft aus der Hand, verspritzte ihn über sie beide.
Der isolierte braune Warmhalteteller glitt wie von einer unsichtbaren Hand
geschoben über eine Kondenswasserpfütze, die Brühe schwappte von einer Seite
zur anderen.
«Halt!
Sie tun sich weh! Halt!», rief Beulah, und als Isabel nicht hörte, drückte sie
den roten Notfallknopf, hielt Isabels Handgelenke fest und wartete auf Hilfe;
diese erschien in Gestalt mehrerer weißer Kittel und einer Spritze, die in
Isabels intravenösen Zugang entleert wurde.
Naja, dachte
Isabel, als ihr klarwurde, was gerade mit ihr geschah, wenigstens
haben sie mich nicht von einem Baum geschossen. Der
Fernseher mit den durch die Luft stürzenden Bonobos wurde ausgeschaltet, und
kurz darauf ließ sich Isabel zurück in die Kissen sinken, während die
Medikamente sie einhüllten wie eine warme Decke und ihre panische Verzweiflung
gnädig betäubten.
***
John
hatte ein Flugticket für den nächsten Morgen (unerklärlicherweise waren heute
alle Flüge ausgebucht) und sah sich gerade Aufnahmen von Affen an, die aus
Baumkronen fielen, als jemand an die Tür hämmerte. Das Hämmern war dermaßen
vehement, dass er vermutete, es wäre die Polizei. Die würde ihn natürlich
vernehmen wollen; er war ja nur wenige Stunden vor der Explosion im Sprachlabor
gewesen. Aber der Nachdruck und die Beharrlichkeit des Klopfens beunruhigten
ihn. Man hielt ihn doch nicht etwa für verdächtig?
Als er
die Tür öffnete, passte alles ins Bild, wenngleich die Person vor ihm sich in
sicherer Entfernung von sechs Staaten hätte aufhalten sollen ...
«Fran?»
«Wo ist
sie?», wollte seine Schwiegermutter wissen. Sie schob sich zwischen John und
die Tür und trat in die Diele. Prallvolle Supermarkttüten baumelten an ihren
Handgelenken. John war sich sicher, dass er die Konturen einer Velveta-Packung
erkannte.
«Ich
glaube, sie ist in der ...»John brach ab, weil Fran schon auf die Küche
zumarschierte.
John
drehte sich wieder zur Tür. Sein Schwiegervater stieg mit zwei Koffern die
Stufen hinauf, altmodischen kompakten Koffern ohne Rollen oder ausziehbare
Griffe. Um die Griffe waren lila Bändchen gebunden, wohl um sie von den vielen
anderen dreißig Jahre alten Gepäckstücken auf dem Laufband zu unterscheiden.
«Hallo, John», sagte Tim, der an der Tür stehen blieb.
«Hallo,
Tim.» John deutete mit dem Kopf in Richtung der lauten Stimmen, die aus der
Küche drangen. «Weiß Amanda, dass ihr kommt?»
«Glaub
ich nicht. Als Amanda nicht mal anrief, um uns ein frohes neues Jahr zu
wünschen, hat Fran sich in den Kopf gesetzt, dass hier was nicht stimmt.»
John
seufzte, nahm dem alten Herrn das Gepäck ab und trug es ins Gästezimmer, das
eigentlich Amandas Arbeitszimmer war. Es befand sich seit Magnifikatz'
vorzeitigem Ableben in der Winterstarre - sie hatte zu der Zeit an Rezept
zum Unglücklichsein gefeilt und Anfragen an Agenten
verschickt. Das Zimmer sah aus, als sei eine Papierfabrik explodiert. Stapel
ihres Manuskripts, von ihr eigenhändig markiert, lagen auf dem Bett und
rundherum verstreut, vermischt mit Dutzenden von Absagebriefen.
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