BKA - Die Jaeger des Boesen
Reservierung von Hotelzimmern für eine Delegation in Wiesbaden. Fragen nach dem Hintergrund zu einem Mord, der ein paar Jahre zurückliegt, werden ebenfalls nicht vorrangig bearbeitet. Andernfalls würden die Mitarbeiter des KDD von der eintreffenden Masse erschlagen.
Ausgerechnet beim Kriminaldauerdienst, der angesichts solcher Mengen von Hinweisen ohne die Kommunikationstechnik der Neuzeit den Dienst auf Dauer einstellen müsste, mache ich überraschend Bekanntschaft mit den guten alten Zeiten. Sie sind endlich mal sichtbar und werden nicht nur in Erzählungen beschworen. In Wahrheit war damals nicht alles besser, und schon gar nicht waren es alle, eher gilt da der Satz: Alles hat seine Zeit, und
alle haben die ihre. Diese hier hat alles überlebt: In deckenhohen Regalen ist, gelagert in Kriminalakten, Vergangenheit einen schier erschlagend präsent. Auf Papier ruhen hier die Biografien verurteilter Krimineller, ergänzt von Auflistungen typischer Tätermerkmale, ergänzt mit dem passenden Foto aus der Verbrecherkartei. Alle Akten jedoch sind dem Untergang in Schreddern geweiht, denn bald werden die Stammkunden des BKA mit ihren Eigenheiten und Eigenschaften komplett digitalisiert, der Fortschritt unsichtbar und die Regale hier leer sein.
Etwa vierhunderttausendmal pro Jahr zu unterscheiden zwischen Sein und Schein heißt – übersetzt auf die alltägliche Arbeit – , sich tausendmal pro Tag entscheiden zu müssen. Pannen sind im System nicht vorgesehen, aber sie passieren. Um die Fehlerquote gering zu halten, wird grundsätzlich ausgedruckt, was im virtuellen KDD-Eingangskorb, dem hausinternen Intranet, landet. Danach sichten erfahrene Erstbewerter das angehäufte Material. In vielen Jahren der kriminalpolizeilichen Praxis an vielen Tatorten haben sie gelernt, die Spreu vom Weizen zu trennen, was bedeutet, dass sie die Eingänge kühl nach Dringlichkeit gewichten und sich einen Dreck darum scheren, ob dabei irgendein Hierarch aus einem nahen Bundesland oder einem fernen Partnerland ziemlich weit unten im Stapel landet.
Mit richtiger Polizeiarbeit, mit gefährlichen Einsätzen, hat das wohl nichts zu tun, wage ich einzuwenden und vergegenwärtige mir als Beweis ein paar Szenen der ZDF-Serie KDD , die ich in meinem persönlichen Kriminalarchiv namens Hirn gespeichert habe. Da lacht Willi Fundermann, der hier das echte Referat KDD leitet, kurz grimmig auf: »Also, ich habe auch ein oder zwei Folgen gesehen, dann habe ich mal kurz überschlagen, wie viele Straftaten im Dienst die Beamten begangen haben, zum Beispiel Erpressungen von Aussagen, Nötigungen, Körperverletzungen …« Er habe sich danach keine weiteren Folgen mehr angeschaut. Es ärgert ihn ein bisschen, dass diese ZDF-Version von KDD den Zuschauern als quasi authentisch verkauft wird, während es in Wirklichkeit, bei seiner KDD, auf ganz andere Dinge
ankommt. Andererseits weiß er auch zu trennen zwischen amtlicher Faktenhuberei und spannender Fiktion.
Kriminaldirektor Fundermann ist im Unterschied zu Dauerdienstleistern der Bundesländer, die ihren kriminalistischen Dienst an echten Tatorten verrichten, mit seinen Einsatzkräften an Schreibtische gebunden. Sie haben aber trotzdem das Gefühl, nicht lediglich polizeiliche Hilfskräfte vor dem Bildschirm zu sein, sondern hilfreiche Kraft im Einsatz gegen das Verbrechen. Von dessen Auswirkungen landet das meiste zuerst bei ihnen; sie sind ausschlaggebend für die polizeilichen Reaktionen. Sobald etwas mit dem Stichwort »DRINGEND« eintrifft, beispielsweise eine Geiselnahme, werden von den KDDlern auf der Suche nach relevanten Zusatzinformationen sofort diverse Datenbanken wie die zentrale Kfz-Halter-Datei in Flensburg oder das Ausländerzentralregister durchforstet, gleichzeitig die Mobilen Einsatzkommandos der Bundesländer alarmiert, weil Gangster auf der Flucht in unterschiedliche polizeiliche Hoheitsgebiete ausweichen könnten. In speziellen Fällen, wie zum Beispiel Entführung eines Politikers oder Suche nach dem Versteck von Terroristen, bereiten sie das hauseigene SEK des Bundeskriminalamtes auf einen Einsatz vor. Präsident Jörg Ziercke bekommt eine – selbstverständlich verschlüsselte – SMS oder eine E-Mail auf seinen verschlüsselten und selbst geübten Hackern nicht zugänglichen sogenannten Krypto-Laptop, in den er sich einloggen kann, wo auch immer er sich gerade auf der Welt befindet.
Eine Panne mit tödlichen Folgen wie etwa während der Schleyer-Entführung – damals war
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