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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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»Action!«
    Bobby ließ die Augen nach innen rollen, bis er nicht mehr sehen konnte, wohin er lief. Er ließ seine Gesichtszüge schlaff werden und stapfte langsam vorwärts.
    »Erschießt das Mädchen«, sagte Romero.
    Bobby sah nicht, wie die Zündpille losging, weil er ein Schritt vor Harriet war. Aber er hörte es – ein lauter, durchdringender Knall, der in den Ohren nachhallte; und plötzlich roch es nach Schießpulver. Harriet ächzte leise.
    »Uuund«, sagte Romero, »jetzt der andere.«
    Es fühlte sich an, als wäre unmittelbar neben seinem Kopf eine Pistole abgefeuert worden. Der Knall der Zündkapsel war so laut, dass er sofort taub war. Er taumelte nach hinten und wirbelte auf dem Absatz herum. Seine Schulter kollidierte mit etwas, aber er konnte nicht sehen, was es war. Aus den Augenwinkeln bemerkte er die quadratische Säule neben der Matratze, und in diesem Moment hatte er einen Einfall. Im Fallen schlug er mit der Stirn dagegen, und während er zurückprallte, sah er, dass er einen blutroten Fleck auf dem Putz hinterlassen hatte.
    Er schlug auf der Matratze auf und federte wieder in die Höhe. Er musste blinzeln. Seine Augen tränten, und er sah nur noch verschwommen. Die Luft über ihm war von blauem Rauch erfüllt. Die Stirn tat ihm weh, und ihm lief eine kalte, klebrige Flüssigkeit über das Gesicht. Während das Klingeln in den Ohren nachließ, nahm er um sich herum zwei Dinge wahr: Zum einen hörte er ein tiefes, fast unterirdisches Grollen, das ferne, gleichmäßige Tosen von Beifall – ein Geräusch, das für ihn ebenso lebenswichtig war wie Sauerstoff. George Romero kam zu ihm herüber. Auch er klatschte und lächelte so breit, dass er wieder Grübchen bekam. Am Rand seines Blickfeldes sah Bobby Klein-Bob auf und ab hüpfen, die Fäuste über den Kopf gereckt wie Sylvester Stallone oben am Treppenabsatz in Philly. Was für ein großartiger Film! Dann bemerkte er, dass sich Harriet an ihn schmiegte. Ihre Hand lag auf seiner Brust. Sie lächelte, ein entspanntes, zufriedenes Lächeln, wie er es den ganzen Tag noch nicht bei ihr gesehen hatte.
    »Was? Hab ich dich zu Boden geworfen?«
    »Sieht so aus.«
    »Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis du mit mir ins Bett springst«, sagte er.
    Sie starrte ihn an. Ihre blutüberströmte Brust hob und senkte sich an seiner Seite.
    »Du kapierst auch alles«, sagte sie.
    Klein-Bobby kam zum Rand der Matratze gerannt und warf sich neben sie. Harriet schob einen Arm unter ihn, hob ihn hoch und rollte ihn in den schmalen Zwischenraum zwischen sich und Bobby. Klein-Bobby grinste und steckte den Daumen in den Mund.
    »Wir schlafen hier«, sagte er. »Wir schlafen hier alle zusammen.«
    »Warum nicht«, sagte Bobby, schloss die Augen und ließ den Kopf auf die Matratze sinken. Sein Gesicht war dem Kopf des Jungen ganz nahe, und plötzlich roch er den Melonenduft von Klein-Bobs Shampoo.
    Ehe er sichs recht versah, zauste ihm jemand das Haar. Er öffnete die Augen wieder. Harriet bewegte die Finger in kleinen Kreisen auf seinem Kopf hin und her. Sie lächelte immer noch und sah ihn über ihren Sohn hinweg an. Sein Blick glitt zur Decke des Einkaufszentrums hinauf, zu den zahlreichen Oberlichtern und dem klaren blauen Himmel. Um nichts in der Welt würde er jetzt aufstehen wollen, denn dann wäre dieser Augenblick verloren. Er fragte sich, was Harriet wohl trieb, wenn Dean bei der Arbeit war und Klein-Bobby in der Schule. Morgen war Montag. Er wusste nicht, ob er Unterricht oder freihatte. Hoffentlich frei. Die Arbeitswoche lag vor ihm, völlig frei von Verantwortung und Sorge und voll grenzenloser Möglichkeiten. Zu dritt – Bobby, der Junge und Harriet – lagen sie dicht aneinandergeschmiegt auf der Matratze, und außer ihren Atemzügen bewegte sich nichts.
    George Romero wandte sich wieder zu ihnen um und schüttelte den Kopf. »Das war großartig, wie du gegen die Säule geknallt bist und das Blut dran kleben geblieben ist. Das sollten wir genau so wiederholen. Dieses Mal könntest du dafür sorgen, dass etwas Hirnmasse zurückbleibt. Was meint ihr beiden dazu? Wer von euch hat Lust auf einen zweiten Versuch?«
    »Ich«, sagte Bobby.
    »Ich«, sagte Harriet. »Ich.«
    »Ja, bitte«, sagte Klein-Bobby, noch immer den Daumen im Mund.
    »Einstimmig angenommen«, sagte Bobby. »Alle sind für einen zweiten Versuch.«

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