Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
spielen, was sie bei meinen Freunden sehr beliebt machte. Bestimmt baute eine ganze Reihe von Jungs, mit denen ich herumhing – Luke Redhill eingeschlossen –, sie in ihre Masturbationsphantasien ein. Wahrscheinlich trug ihr Attraktivität auch wesentlich dazu bei, dass ich bei den Jungs so beliebt war.
    »Und warum sind wir am Big Cat Lake in Sicherheit?«, fragte ich.
    »Wer hat gesagt, dass wir dort sicher wären?«
    »Warum fahren wir sonst da hin?«
    Sie drehte sich wieder nach vorn um. »Damit wir ein schönes warmes Feuer im Kamin anzünden, lange schlafen, Eierpfannkuchen essen und den ganzen Vormittag im Schlafanzug rumlaufen können. Selbst wenn wir Angst um unser Leben haben müssen, ist das noch lange kein Grund, sich das Wochenende vermiesen zu lassen.«
    Sie legte meinem Vater die Hand in den Nacken und spielte mit seinem Haar. Dann versteifte sie sich plötzlich, und ihre Fingernägel gruben sich ihm in die Haut.
    »Jack«, sagte sie zu mir. Sie schaute an meinem Vater vorbei durch das Fenster auf der Fahrerseite. Etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. »Duck dich, Jack, duck dich!«
    Wir befanden uns auf der Route 16, einem langen geraden Highway mit einer schmalen Grasnarbe zwischen den beiden Fahrspuren. An einer Wendestelle stand ein Wagen, und als wir vorbeifuhren, leuchteten mit einem Mal seine Scheinwerfer auf. Ich drehte mich um und starrte eine Moment lang ins Gegenlicht, dann erst duckte ich mich. Das Auto – ein schnittiger silberfarbener Jaguar – bog auf die Straße ein und gab Gas.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass sie dich nicht sehen dürfen«, flüsterte meine Mutter. »Fahr schneller, Henry. Häng sie ab.«
    Unser Wagen beschleunigte und raste durch die Finsternis. Ich krallte mich am Sitzpolster fest, kniete mich hin und lugte durch das Heckfenster hinaus. Das andere Auto folgte uns immer im gleichen Abstand, egal, wie schnell wir fuhren. Es legte sich mit einer lautlosen, bedrohlich wirkenden Leichtigkeit in die Kurven. Manchmal hielt ich eine ganze Weile die Luft an, bis mir wieder einfiel auszuatmen. Die Straßenschilder rauschten so schnell vorbei, dass ich sie nicht entziffern konnte.
    Der Jaguar folgte uns drei Meilen weit, bevor er bei einem Gasthaus am Straßenrand abbog. Als ich mich umwandte, zündete sich meine Mutter gerade mit der pulsierenden orangefarbenen Glut des Zigarettenanzünders eine Zigarette an. Mein Vater summte leise vor sich hin und nahm den Fuß etwas vom Gas. Er wiegte den Kopf im Rhythmus einer mir unbekannten Melodie hin und her.
     
    Ich rannte geduckt durch die Finsternis und den schneidenden Wind, ohne auf den Weg zu achten. Meine Mutter war dicht hinter mir, und gemeinsam erreichten wir die Veranda. Die Hütte am See war nicht beleuchtet. Mein Vater hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet, und das Haus lag im Wald, am Ende einer mit Furchen durchzogenen unbefestigten Straße, an der es keine Straßenlaternen gab. Direkt hinter dem Haus konnte ich das Wasser aufblitzen sehen, wie ein Loch in der Welt, schwarz und schwer.
    Meine Mutter schloss auf und ging durch die Zimmer, um überall die Lampen anzuknipsen. Die Hütte war um ein einziges großes Zimmer mit einer Holzdecke herumgebaut. Es gab offene Dachbalken und Holzwände, von denen sich die rötliche Rinde abschälte. Links neben der Eingangstür befand sich eine Kommode mit einem Spiegel, der von einem Paar dünner schwarzer Vorhänge verdeckt wurde. Ich hatte mir die Ärmel über die Hände gezogen, um sie zu wärmen, und schlenderte zur Kommode hinüber. Hinter den halb durchsichtigen Vorhängen waren die groben Umrisse einer Gestalt zu erkennen – mein verschleiertes Spiegelbild, das mir entgegenkam. Bei diesem Anblick überkam mich ein leichtes Unbehagen, weil mir der gesichtslose Schatten hinter der schwarzen Seide völlig unbekannt vorkam. Ich schob den Vorhang beiseite, sah aber nur mich selbst mit vom Wind geröteten Wangen.
    Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich die Masken bemerkte. Der Spiegel wurde von zwei zerbrechlich wirkenden Streben gehalten, an deren Enden Masken hingen. Es waren so welche wie die von Zorro, die nur die Augen und ein Stück der Nase verdeckten. Eine war mit Schnurrhaaren und Glitzerkram verziert – wer auch immer sie trug, würde wie eine edelsteinbesetzte Maus aussehen. Eine andere war mit dickem schwarzem Samt überzogen und wäre einer Kurtisane auf einem Maskenball aus der Zeit König Edwards würdig gewesen.
    Die ganze Hütte war mit Masken dekoriert.

Weitere Kostenlose Bücher