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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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eintauschen!«
    »Hab ich nicht!«
    »Hast du doch«, sagte sie. »Ich hab’s gesehen. Nimm seine Königin und gib ihm deinen Buben.«
    Ich gab ihm meinen »Faulen Buben« und nahm mir von ihm die »Schlafende Dame«. Darauf war ein nacktes Mädchen zu sehen, das auf einem Himmelbett in einem Durcheinander von Decken lag. Sie hatte langes braunes Haar, und ihre fein geschnittenen Gesichtszüge verliehen ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit Janes Freundin Melinda. Danach erhielt ich den »Geizigen König«, einen Kerl mit rotem Bart und einem aufgeplatzten prallen Sack auf dem Rücken, aus dem Münzen herausfielen. Ich war mir ziemlich sicher, dass das Mädchen mit der schwarzen Maske ihn unten vom Stapel genommen hatte. Sie bemerkte meinen Blick und sah mich herausfordernd an.
    Als jeder drei Karten hatte, legten wir eine Pause ein und versuchten, Häuser zu bauen, die die anderen nicht umpusten konnten, aber keines davon blieb stehen. Danach bekam ich die »Gefesselte Königin« und eine Karte, auf der die Cribbage-Regeln standen. Fast hätte ich gefragt, ob sie aus Versehen zwischen die Karten geraten war, überlegte es mir dann aber anders. Niemand bekam die »Schwarze Schande«. Ich wusste nicht einmal, ob es sie wirklich gab.
    »Jack hat gewonnen!«, schrie das Mädchen, und ich erschrak ein wenig, da ich nicht gesagt hatte, wie ich hieß. »Jack hat gewonnen!« Sie warf sich auf mich und umarmte mich heftig. Als sie sich wieder aufrichtete, schob sie mir das Siegerblatt in die Jackentasche. »Hier, dein Glücksblatt. Du solltest es behalten, damit du dich daran erinnerst, wie viel Spaß wir gehabt haben. Keine Angst. Bei diesem alten Kartenspiel fehlen sowieso schon ein Paar Karten. Ich wusste einfach, dass du gewinnen würdest!«
    »Klar wusste sie das«, sagte der Junge. »Erst erfindet sie ein Spiel, bei dem nur sie die Regeln kennt, und dann schummelt sie, damit alles so abläuft, wie sie es will.«
    Sie lachte, ein verkrampftes, raues Lachen, und ich bekam eine Gänsehaut im Nacken. Dabei wusste ich, schon bevor sie loslachte, mit wem ich da Karten spielte.
    »Wenn du nicht verlieren möchtest, dann darfst du eben nur Spiele spielen, die du dir selbst ausdenkst«, sagte sie. »Also gut. Mach schon. Frag alles, was dir in den Sinn kommt.«
    »Wie finde ich nach Hause, ohne denselben Weg zurückzugehen, den ich gekommen bin?«
    »Das ist leicht. Nimm den Pfad, der dem ›Über-All‹-Schild am nächsten ist. Er führt dich überall hin – wohin du willst. Deshalb steht da auch ›überall‹. Aber du musst dir sicher sein, dass du auch wirklich zur Hütte willst, sonst findest du sie vielleicht gar nicht.«
    »Klar. Vielen Dank. Das war ein tolles Spiel. Ich verstehe es nicht, aber es hat Spaß gemacht.« Ich kletterte über den Baumstamm.
    Ich war noch nicht weit gekommen, als sie nach mir rief. Als ich mich umdrehte, knieten sie und der Junge nebeneinander, stützten sich auf dem Stamm ab und starrten mich an.
    »Vergiss nicht«, sagte sie. »Du darfst ihm auch eine Frage stellen.«
    »Kenne ich euch irgendwoher?«, sagte ich mit einer Geste, die sie beide einschloss.
    »Nein«, antwortete er. »Du kennst keinen von uns beiden.«
     
    In der Einfahrt stand ein Jaguar hinter dem Auto meiner Eltern. Die Innenausstattung war aus poliertem Kirschholz, und die Sitze sahen aus, als wären sie fabrikneu. Allem Anschein nach kam der Wagen frisch vom Händler. Inzwischen war es später Nachmittag, die Sonne stand weit im Westen und schien durch die Baumkronen. Dabei kam es mir gar nicht so spät vor.
    Ich sprang die Stufen hinauf, aber noch bevor ich die Tür erreichte, ging sie auf, und meine Mutter trat heraus. Sie trug noch immer die Schmusekätzchenmaske.
    »Deine Maske«, sagte sie. »Was hast du damit gemacht?«
    »Weggeworfen«, sagte ich. Ich erzählte ihr nicht, dass ich sie nur deshalb an einen Ast gehängt hatte, weil es mir peinlich gewesen war, damit gesehen zu werden. Jetzt hätte ich sie allerdings gern aufgehabt, auch wenn ich nicht sagen konnte, warum.
    Sie blickte besorgt zur Tür und ging dann vor mir in die Hocke.
    »Ich weiß. Ich habe nach dir Ausschau gehalten. Zieh das hier auf.« Sie hielt mir die durchsichtige Kunststoffmaske hin.
    Ich starrte sie einen Moment lang an und musste daran denken, wie erschrocken ich gewesen war, als ich sie das erste Mal gesehen hatte, und wie sie die Gesichtszüge meines Vaters entstellt hatte, bis er geradezu bedrohlich aussah. Aber als ich sie überzog,

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