Black Box
International war acht Jahre alt und hatte hundertfünfzig Dollar gekostet; Jubal hatte ihn vor vier Monaten einem Kollegen abgekauft. Gestern hatte er seine letzte Rate bezahlt, und zur Feier des Tages wollte er nach Norden fahren, um dort seine Tochter Kelly zu besuchen. Jubal und seine Frau hatten sich getrennt. Linda war wieder zu ihrer Verwandtschaft nach Maine gezogen und hatte beider Tochter mitgenommen. Jubal hatte Kelly seit 1933 nicht mehr gesehen, und das war jetzt bald drei Jahre her. Als der Lieferwagen über das hohe Gras auf die Straße rumpelte, drückte Jubal auf die Hupe, und einige seiner Arbeitskollegen lüfteten kurz den Hut.
Jubal ließ das Fenster auf der Fahrerseite einen Spalt offen, damit sich die Windschutzscheibe nicht beschlug. Jaulend pfiff die Luft durch die Öffnung. Er schmiegte sich in seine Jeansjacke, hatte die Wollmütze fest über die Ohren gezogen und eine Wolldecke über die Beine gelegt. Der International besaß keine Heizung, und im Führerhaus war es eiskalt. Nach einer Stunde war er bis auf den rechten Fuß völlig durchgefroren. Die Eisenpedale waren fast heiß – irgendwie musste sich die Wärme des Motors auf sie übertragen haben, was er durch die Sohle seines Stiefels spüren konnte.
Eine Weile dachte er darüber nach, was er sagen sollte, wenn er vor Lindas Veranda aufkreuzte. Als er letzten Oktober die Idee hatte, nach Maine zu fahren, hatte er ihr gleich einen Brief geschrieben, dass er sie besuchen wolle und hoffe, dass er willkommen sei. Er hatte fünf Dollar mit in den Umschlag gelegt, damit Linda ihm wohlgesinnt war, wenn er bei ihr vor der Tür stand.
Als er den Brief in den Briefkasten warf, fühlte Jubal sich kurz unwohl, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, wann er das letzte Mal Geld geschickt hatte. Im September und August jedenfalls nicht, da hatte er den Lieferwagen abzahlen müssen. Im Juli vielleicht – er wusste jedenfalls, dass er einen Zehner in den Umschlag gesteckt hatte, zusammen mit einem Geschenk für Kelly, der Schwanzfeder eines Falken. Schlimmstenfalls hatte er Ende Juni Geld geschickt, aber das war ja schon fast im Juli gewesen.
Jubal hatte Linda versprochen, regelmäßig Geld zu schicken, aber wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sich nur bedingt daran gehalten hatte. Seit Jahren schon war es schwer, Arbeit zu finden, und es wurde nicht gerade besser. Seine Geldsendungen wurden so unregelmäßig, dass er, wenn er erst einmal einen Job hatte, einfach nicht mehr daran dachte, ein paar Dollar zu schicken. Er vermied es, allzu oft darüber nachzugrübeln, was er für Linda und Kelly getan hatte und was nicht. Das bereitete ihm nur Bauchschmerzen und raubte ihm den Schlaf. Schließlich gab es genug Männer, die keinen weiteren Gedanken auf ihre Frauen und ihren Nachwuchs verschwendeten.
Es war noch früh, aber die Dämmerung zog herauf, und es wurde bereits dunkel. Es wollte noch nicht richtig anfangen zu schneien, aber als er die Grenze zwischen New Hampshire und Maine überquerte, war die Schotterstraße von einem dünnen Schleier bedeckt, und es wehten immer wieder Schneeflocken über die Straße. Sein Gesicht war kalt und gefühllos. Die Kälte schien bis ins Gehirn vorzudringen. Es war nur allzu leicht, in eine gedankenlose Trance zu verfallen und völlig automatisch zu fahren, ohne zu wissen, was die Hände am Steuer taten oder der rechte Fuß auf den Pedalen.
Jubal war tief in diese Wintertrance versunken, als eine heftige Windbö seitlich von den Tannen über die Straße heulte und den Lieferwagen erfasste. Der Wagen wurde zur Seite gedrückt, und für einen Moment gruben sich die Reifen in die nasse Erde; Schotter prasselte gegen das Fahrgestell. Jubal blieb fast das Herz stehen, und er mühte sich verzweifelt mit dem Steuer ab. Der Wind ließ nach, und er lenkte den Wagen auf die Straße zurück. Sein Herzschlag pochte ihm in den Ohren, und sein Gesicht war von kaltem Schweiß bedeckt. Ohne es zu bemerken, grinste er verzweifelt.
Als er zehn Minuten später den Mann am Straßenrand sah, bremste er instinktiv. Jubal rollte an ihm vorbei, blieb zehn Meter weiter stehen und wartete, bis ihn der Anhalter eingeholt hatte. Der Mann vom Straßenrand öffnete die Tür und zog sich herauf – seine Bewegungen waren unbeholfen, als wären seine Gelenke steif vor Kälte –, dann knallte er die Tür zu.
»Es ist zu kalt, um zu Fuß zu gehen«, sagte Jubal. »Sie frieren sich ja den Arsch ab.«
»Ja, Sir. Dem Herrn sei
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