Black Box
Angst mehr vor dem Reisenden und kam sich ein wenig gemein vor, ihn so mit Fragen belästigt zu haben.
»Das da unten ist jedenfalls noch nicht verschwunden«, sagte Jubal. »Hoffentlich ist es noch da, wenn ich dort anhalte, um etwas zu trinken.«
Er bremste und lenkte den Lieferwagen auf einen Parkplatz nahe der Eingangstür. Jubal schaute zu seinem Fahrgast hinüber. »Also gut. Ich werde mir jetzt eine Tasse Kaffee gönnen. Wenn Sie wollen, lade ich Sie ein. Ich habe noch nie jemand getroffen, der das nötiger gebraucht hätte als Sie.«
Jubal wollte, dass der Mann vom Straßenrand mit ihm ins Gasthaus kam. Er hatte sich ein Herz gefasst und wollte wissen, wie der Reisende zu seinem zerschlagenen Gesicht und dem Blut auf der Jacke gekommen war. Wenn sie erst einmal drin waren, würde er schon dafür sorgen, dass der Anhalter nicht ging, bevor jemand den örtlichen Sheriff angerufen hatte. Falls der Reisende tatsächlich jemanden am Straßenrand niedergestochen hatte, war dieser vielleicht noch nicht tot und konnte noch gerettet werden. Für einen Augenblick sah sich Jubal als Held, während die kalte Luft seine Lunge anschwellen und sein Herz schneller schlagen ließ.
»Nein, Sir, ich mach mich wieder auf den Weg.«
»Warum kommen Sie nicht mit rein?«
»Ich muss weiter. Ich sehe doch, was Sie von mir denken. Sie wollen sich offensichtlich über mich lustig machen.«
»Sie können ja trotzdem mit reinkommen und jemanden fragen, ob er Sie mitnimmt.«
»Nein, vielen Dank. Ich bleib lieber an der Straße.«
»Was spricht denn so dagegen, mit reinzukommen?«, fragte Jubal. »Weil dort Alkohol ausgeschenkt wird? Ihr alter Kumpel Jesus denkt doch nicht etwa, dass alle Gasthäuser voller Sünder sind, die in der Hölle zu landen haben? Jesus war doch selbst nie einem Gläschen Wein abgeneigt.«
»Warum ist es Ihnen so wichtig, dass ich da reingehe?«, wollte der Reisende wissen. Sein Gesicht wirkte beherrscht und nachdenklich, aber Jubal hatte den Eindruck, dass der Mann die Zähne zusammenbiss – in seiner Miene lag etwas Bösartiges.
»Wo kommt denn das ganze Blut auf Ihrer Jacke wirklich her?«, sagte Jubal. »Wenn Sie irgendjemand blutend zurückgelassen haben, dann sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass der bei dem Wetter sterben kann. Verraten Sie mir lieber, wen Sie niedergestochen haben und wo das war. Sobald Sie dann verschwunden sind, werde ich dann Hilfe hinschicken.«
»Der Einzige, der hier stirbt, sind Sie, Jubal Scott. Im Innern. Im Geiste. Ich werde für Sie beten, obwohl Sie mir misstraut und meinen Glauben verspottet haben. Sie wollen wissen, wer blutet und warum er das tut? Jesus von Nazareth blutet, und er blutet Ihretwegen. Sie sind die Nägel, mit denen Er ans Kreuz geschlagen wurde. Sein Blut klebt an Ihren Händen, Jubal Scott.« All das sagte er mit leiser, gebieterischer Stimme.
»Alles klar«, sagte Jubal. »Das reicht jetzt. Wenn Sie so weiterreden, wird es nicht das Blut Jesu sein, dass bald an meinen Händen klebt. Ich überlege mir gerade, ob ich nicht dafür sorgen soll, dass Ihr Gesicht überall gleichmäßig blau wird.«
Der Reisende hob zwei Finger, als würde er Jubal segnen, und wollte offenbar noch etwas sagen, aber Jubal ballte die Hand zur Faust und hielt sie ihm unter die Nase. »Nein. Raus hier. Verschwinden Sie!« Falls jetzt ein Rasiermesser zum Vorschein kam, würde Jubal aus dem Wagen springen und in das Gasthaus rennen … aber er glaubte nicht, dass der Reisende ein Rasiermesser dabeihatte, und selbst wenn, würde er es hier wahrscheinlich nicht benutzen, weil zu viel Licht aus dem Lokal in das Führerhaus fiel. Sie konnten die Leute reden hören, und es ertönte die schrille Stimme einer Frau und feuchtfröhliches Gelächter.
Der Reisende betrachtete Jubals Faust, drehte sich dann um, stieß die Tür auf und stieg hinaus.
Jubal blieb am Eingang des Gasthauses stehen und sah ihm nach. Der Reisende senkte den Kopf, zog die Schultern hoch und vergrub die Hände in den Taschen seiner schmutzigen Jacke. Er überquerte die Straße und ging durch das dichte Schneetreiben davon. Auch Jubal hatte die Hände in die Taschen geschoben und zitterte – ob vor Kälte oder aus Erleichterung, hätte er nicht sagen können. Als er den Reisenden nicht mehr von den dunklen Tannen unterscheiden konnte, wandte er sich ab und betrat das Lokal. Es war nur schwach beleuchtet, und die zahlreichen Gäste unterhielten sich laut und fröhlich. Jubal konnte sich nicht
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