Black Box
traf Alberts Nase mit einem Geräusch, als würde Plastik brechen, aber da brach keine Plastik. Dem Dicken entfuhr wieder ein erstickter Schrei, und Blut schoss ihm aus der Nase. Er hob die Hand. Finney schlug noch einmal zu und zerschmetterte ihm die Finger.
Albert ließ seine kaputte Hand sinken und sah hoch. Er röchelte wie ein wildes Tier. Finney schlug immer wieder zu, damit er das Maul hielt, drosch ihm den Hörer gegen die nackte Wölbung des Schädels. Er traf ihn mit einem satten Krachen, und funkelnde Sandkörner spritzten im Sonnenlicht nach allen Seiten. Mit einem Schrei stieß sich der Dicke vom Boden ab und taumelte vorwärts, aber Finney wich rasch zurück und schlug ihm so fest auf den Mund, dass Alberts Kopf halb herumgerissen wurde. Dann schlug er ihm gegen das Knie, damit er endlich stehen blieb.
Al stürzte, streckte die Arme aus, bekam Finney an der Taille zu fassen und riss ihn zu Boden. Er landete auf Finneys Beinen, Blut lief ihm aus dem Mund, und ein wütendes Stöhnen drang von irgendwo tief in seiner Brust herauf. Finney hielt mit der einen Hand noch immer den Hörer umklammert und mit der anderen das schwarze Kabel. Er setzte sich auf und wollte noch einmal zuschlagen, aber dann taten seine Hände etwas anderes. Er legte dem fetten Mann das Kabel um den Hals und zog es mit aller Kraft hinter dem Kopf zusammen. Albert langte nach Finneys Gesicht, kratzte ihn und riss ihm fast die Haut von der Wange. Aber Finney zog das Kabel nur noch fester zu, und Al glitt die Zunge aus dem Mund.
Auf der anderen Seite des Raumes klingelte das Telefon. Der Dicke röchelte. Er hörte auf, Finney das Gesicht zu zerkratzen, und versuchte, die Finger unter das Kabel zu bekommen. Er konnte nur die linke Hand gebrauchen, die Finger der rechten Hand waren gebrochen und standen in alle Richtungen ab. Das Telefon klingelte noch einmal. Der Dicke blickte zu dem Apparat hinüber, dann zu Finney. Alberts Pupillen waren riesig, so riesig, dass die goldenen Ringe seiner Iris fast nicht mehr sichtbar waren. Die Pupillen glichen einem Paar schwarzer Ballons, riesige dunkle Zwillingssonnen. Das Telefon klingelte und klingelte. Finney zerrte am Kabel. In Alberts dunkelblauem Gesicht war eine entsetzte Frage zu lesen. »Das ist für dich«, sagte Finney.
Das fehlende Kapitel
» Das schwarze Telefon « wollte sich immer wieder zu einem Roman ausdehnen, was ich aber nicht zuließ. Ich hatte mir vorgenommen, eine Kurzgeschichte zu schreiben, und wollte das auch hinbekommen. Die Leute in den Verlagen glauben, dass die Leser keine Kurzgeschichten mögen, sondern nur Romane. Aber das stimmt nicht. In Wirklichkeit wollen die Leser Geschichten, die so intensiv sind, dass sie sie nicht beiseitelegen können, und solche Geschichten sind nie ein Wort länger als unbedingt nötig. » Die Lotterie « von Shirley Jackson und » Weg in die Wildnis « von Larry McMurtry haben eines gemeinsam: Beide haben genau die richtige Länge, und dabei spielt es keine Rolle, dass die Erzählung 15 und der Roman 740 Seiten lang ist.
Ich habe » Das schwarze Telefon « zuerst von 45 auf 42 Seiten gekürzt, dann auf 40 … auf 39 … auf 38½ … und schließlich auf 38¼. Ich wollte die Geschichte an Andy Cox, den Herausgeber der Zeitschrift The Third Alternative, schicken, aber dafür war sie immer noch zu lang. Ich musste sie auf glatte 30 Seiten bringen, und an dem Tag, an dem ich ihm die Story per E-Mail sandte, kürzte ich sie noch einmal drastisch: um das ganze letzte Kapitel, in dem erzählt wird, was John widerfährt, nachdem er aus dem Keller entkommen ist – die Geschichte nach der Geschichte.
Andy Cox fand Gefallen an » Das schwarze Telefon « und sagte, er wolle die Story veröffentlichen. So weit, so gut. Aber weit gefehlt! Ich wusste einfach nicht, ob ich nun ein Chirurg oder ein Schlachter gewesen war und ob ich dabei nicht doch etwas herausgeschnitten hatte, was ich hätte retten sollen. Für mich ist Sparsamkeit eine ästhetische Tugend vor allen anderen – aber sie ist eben nicht die einzige Tugend. Also kam ich auf die Idee, das » fehlende Kapitel « auf meiner Internetseite zugänglich zu machen, und als » Das schwarze Telefon « erschien, gab es dort auch einen Hinweis, dass neugierige Leser bei www.joehillfiction.com vorbeischauen und dort weiterlesen konnten.
Einige haben das auch getan und mir auf meiner Forumsseite mitgeteilt, was sie davon hielten. Die Meinungen über das » fehlende Kapitel « waren geteilt, aber
Weitere Kostenlose Bücher