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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Faser seines Körpers auf das trockene Pochen seines Pulsschlags und das ferne Rauschen des Windes draußen vor den Fenstern. Er hatte keine Angst. Er empfand etwas, was stärker war als jede Furcht – ein betäubendes Grauen, das es ihm völlig unmöglich machte, sich zu bewegen.
    Er schlief nicht, war aber auch nicht wach. Die Minuten verstrichen nicht, sie sammelten sich zu Stunden an. Es war sinnlos, so wie früher über Zeit nachzudenken. Es gab nur diesen einen Augenblick und dann den nächsten, eine Reihe von Augenblicken, die in einer stillen, tödlichen Prozession aufeinanderfolgten. Er wurde erst aus seiner traumlosen Lähmung geweckt, als oben an der Wand allmählich ein wässrig graues Rechteck sichtbar wurde. Auch wenn er nicht hätte sagen können, weshalb, so wusste er doch, dass es ihm eigentlich nicht mehr bestimmt gewesen war, die hinter dem Fenster heraufziehende Morgendämmerung zu erleben. Dieser Gedanke erfüllte ihn zwar nicht gerade mit Hoffnung, sorgte aber immerhin dafür, das er sich bewegte. Mit großer Anstrengung setzte er sich auf.
    Seinen Augen ging es besser. Wenn er das leuchtende Fenster anstarrte, flimmerten am Rande seines Blickfelds prismatische Lichter. Trotzdem, er sah das Fenster in aller Deutlichkeit. Sein Magen war leer, und er hatte Magenkrämpfe.
    Finney zwang sich aufzustehen und schritt noch einmal das Zimmer ab, auf der Suche nach etwas, was ihm weiterhelfen mochte. In einer der hinteren Ecken entdeckte er eine Stelle, wo der Betonboden zerbröckelt war. Dort lagen popcorngroße Brocken mit einer Schicht sandiger Erde darunter. Er steckte sich gerade ein paar sorgfältig ausgewählte Klumpen in die Hosentasche, als er hörte, wie der Riegel beiseitegeschoben wurde.
    Der dicke Mann stand in der Tür. Aus vier Metern Entfernung sahen sie einander an. Al trug gestreifte Boxershorts und ein weißes Unterhemd, das vorn voller Schweißflecken war. Seine fetten Beine waren entsetzlich blass.
    »Ich will Frühstück«, sagte Finney. »Ich habe Hunger.«
    »Wie geht’s deinen Augen?«
    Finney erwiderte nichts.
    »Was machst du da drüben?«
    Finney kauerte in der Ecke und sah Al wütend an.
    »Ich kann dir nichts zu essen bringen. Du musst noch ein bisschen warten.«
    »Warum? Ist da oben jemand, der mitbekommen würde, wie Sie mir etwas zu essen machen?«
    Wieder verfinsterte sich Als Miene, und er ballte die Hände zu Fäusten. Als er antwortete, klang er jedoch nicht wütend, sondern eher niedergeschlagen. »Das ist jetzt egal.« Finney verstand das als Ja.
    »Wenn Sie mir nichts zu essen bringen, warum sind Sie dann hier runtergekommen?«
    Al schüttelte den Kopf und starrte Finney mit missmutigem Groll an, als wäre das eine unangemessene Frage, auf die von ihm keine Antwort erwartet werden konnte. Aber dann zuckte er die Achseln. »Ich wollte dich nur anschauen. Sonst nichts.« Finney zog unwillkürlich die Oberlippe zurück, erkennbar angewidert, und Albert verlor sichtlich den Mut. »Ich geh dann mal.«
    Als er die Tür öffnete, sprang Finney auf und schrie laut um Hilfe. In seiner Eile, den Raum zu verlassen, prallte Al gegen den Türpfosten, und fast wäre er gestürzt. Dann knallte er die Tür zu.
    Finney stand in der Mitte des Raumes, und seine Brust hob und senkte sich. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es ihm gelingen würde, an Al vorbeizukommen – die Tür war zu weit weg –, aber er wollte die Reaktionszeit des Fettsacks testen. Er war sogar noch langsamer, als Finney gedacht hatte. Er war langsam, und es befand sich noch jemand im Haus, irgendwo oben. Fast gegen seinen Willen spürte Finney, wie sich in ihm etwas aufstaute: eine nervöse Anspannung, fast wie Hoffnung.
    Den ganzen Tag über und die darauffolgende Nacht blieb er allein.
7
    Als die Krämpfe wieder einsetzten, spätabends an seinem dritten Tag im Keller, musste er sich auf die gestreifte Matratze setzen und warten, bis sie vorbei waren. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand einen Spieß in die Seite gerammt und würde ihn jetzt langsam drehen. Finney knirschte mit den Backenzähnen, bis er Blut schmeckte.
    Später trank er Wasser aus dem Tank hinter der Toilette und kniete sich dann hin, um die Schrauben und Rohre zu untersuchen. Er wusste nicht, warum er nicht schon früher an die Toilette gedacht hatte. Er mühte sich mit einer dicken Eisenmutter von fast acht Zentimetern Durchmesser ab, bis seine Hände wund und aufgeschürft waren. Er versuchte die Mutter abzuschrauben, aber sie war

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