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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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rappelte sich auf und wich ein Stück zurück, darauf achtend, dass sein rechter Fuß nicht in dem kalten Matsch aus Blättern einsank. Er wollte erst seinen Schuh zurück, bevor er losrannte. Er starrte sie an. Das Messer. Die Hand mit dem Messer hing schlaff an ihrer Seite.
    Sie folgte seinem Blick, sah das Messer an, dann wieder ihn. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich würde doch nie …« Sie ließ das Messer fallen, beugte sich vor und hielt ihm den Schuh hin. »Hier.«
    Er kam näher, nahm den Schuh und schlüpfte hinein. In diesem Moment packte ihn Mrs. Prezar auf einmal am Arm; ihre Fingernägel gruben sich tief in sein Handgelenk. Er versuchte sich loszureißen.
    »Ich habe nicht …« Mit der freien Hand griff sie nach seiner Jacke, nach seinem Pullover. »Was wirst du den Leuten erzählen?«
    Er war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte, und es war ihm auch egal. Er wollte, dass sie ihn losließ. Der Griff an seinem Handgelenk tat weh, aber noch schlimmer war, dass sie ihn überall, an der Hand, am Arm, am Hals, mit Blut beschmierte. Das Blut ekelte ihn an – es klebte, war widerlich warm, er wollte es auf keinen Fall auf seiner Haut haben. Also griff er nach ihrer Schulter und drückte fest zu. Sie stieß einen jammernden Ton aus. Ihre linke Hand fuhr hoch und schloss sich um seinen Hals. Er versetzte ihr einen Stoß, nicht fest, nur damit sie ihn in Ruhe ließ. Sie schrie – ein entsetzlicher, erstickter Schrei – und fuhr ihm mit den Fingernägeln über das Gesicht. Er spürte, wie seine Haut aufriss, wie ihm das Blut warm über die Wange lief.
    Er packte ihre Hand und bog die Finger so weit nach hinten, dass sie fast den Handrücken berührten. Dann stieß er gegen ihr Brustbein, und als sie sich vornüberkrümmte, schlug er ihr so fest ins Gesicht, dass seine Knöchel aufplatzten. Doch sie ließ nicht ab: Wie betrunken taumelte sie vorwärts, packte ihn am Pullover, zog ihn mit sich zu Boden. Verzweifelt versuchte er, sich loszumachen. Er griff nach ihrem Haar und zog ihren Kopf nach hinten, so weit es eben ging. Dann holte er aus und schlug gegen ihren Hals.
    Sie schluckte und ließ ihn los. Mit hochgezogenen Schultern kniete sie auf der feuchten Erde und rieb sich den Nacken. Ihr Atem ging unregelmäßig. Dann, nach einer Weile, drehte sie den Kopf, betrachtete das Messer auf dem Boden. Bevor sie danach greifen konnte, drängte sich Wyatt an ihr vorbei und hob es auf. Drohend hielt er es ihr vor das Gesicht.
    Durch die ausgefransten, blutverschmierten Locken hindurch starrte sie ihn an. Zeit verging. Allmählich atmete sie wieder etwas ruhiger.
    Plötzlich stand sie auf und rief mit heiserer Stimme: »Hilfe! Hilfe!«
    Er sah sie perplex an. Seine linke Gesichtshälfte, wo sie ihn gekratzt hatte, brannte. Besonders weh tat es in den Augenwinkeln. »Ich werde allen erzählen, was Sie getan haben«, sagte er.
    Sie hielt einen Moment inne, dann wandte sie sich um und lief los. »Hilfe! Helft mir doch.«
    Erst wollte er ihr hinterherrennen und sie zum Schweigen bringen, doch er wusste nicht, wie er das anstellen sollte, also ließ er es bleiben. Er ging zum Auto und stützte sich mit einer Hand auf die offene Tür. Ihm war ziemlich schwindlig. Vor dem Hintergrund der helleren Bäume war Mrs. Prezar nur noch als dunkle Gestalt zu erkennen, die die Straße hinunterrannte.
    Wyatt blieb keuchend stehen. Nach einer Weile fiel sein Blick eher zufällig auf das schmale, fein gezeichnete Gesicht von Baxter, der mit offenem Mund zu ihm heraufstarrte. Er sah, dass sich die Zunge des Jungen bewegte – als wollte er etwas sagen.
    Wyatt spürte, wie sein Herz für eine Sekunde aussetzte: der aufgeschlitzte Hals, die Wunde in Form eines Angelhakens, die sich vom rechten Ohr bis zum Adamsapfel zog, das Blut, das noch immer in regelmäßigen Abständen auf den Sitz quoll. Mit zitternden Knien ging er um die Tür herum und beugte sich über Baxter. Vielleicht, dachte er, konnte er den Wagen ja zur 17K hochfahren, doch der Schlüssel steckte nicht im Schloss. Er konnte weiß Gott wo sein. Die Blutung … das Wichtigste war, die Blutung zu stoppen. Wie, hatte er in Emergency Room gesehen. Man nahm ein Handtuch, rollte es zusammen und presste es so lange auf die Wunde, bis Hilfe kam. Er hatte kein Handtuch, aber da war Mrs. Prezars Halstuch, das neben dem Auto lag. Er ging in die Knie und hob es auf. Es war durchnässt und voller Schlammspritzer. Er zögerte einen Moment, doch dann knüllte er es

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