Black CATS - Parrish, L: Black CATS
unvermuteten Momente, die sie gestern Nacht gemeinsam erlebt hatten, merkte sie, dass sie ihm gar nicht zu viel Bedeutung beimessen konnte.
Das fast unhörbare Beben in seiner Stimme, als er ihr von den Schüssen erzählt hatte, sein zärtlicher Blick, der auf ihr geruht hatte, als sie ihm die Abgründe ihrer Ehe offenbart hatte – das hatte etwas in ihr ausgelöst, hatte irgendetwas zum Schmelzen gebracht. Genau wie der eine Kuss, nach dem sie sich ihrer Weiblichkeit so bewusst gewesen war wie schon lange nicht mehr.
Es ging ihr nicht einfach nur um Sex. Sie hatte beinahe das Gefühl gehabt, als könnte sie wieder zum Leben erwachen, bereit, den nächsten Schritt zu tun.
Sam lächelte und ließ diese Erkenntnis in ihrem Inneren nachwirken. Sich wieder der Welt der Wärme, der Lebenslust und Sinnlichkeit zuzuwenden wurde nicht überbewertet. Im Gegenteil, zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit begann sie sich darauf zu freuen, ins Land der Lebendigen zurückzukehren. Allerdings noch nicht ganz, nicht solange diese furchtbare Ermittlung über ihr schwebte und ein Psychopath sie im Visier hatte. Aber danach, in der Zukunft. Dann würde sie sich wieder der Welt anschließen, die sie vor einem Jahr aus ihrem Leben ausgesperrt hatte.
Den nächsten Schritt tun. Was für ein einfaches Konzept. Und so aufregend.
Lächelnd schlug sie die Decke zurück und begrüßte den Tag mit einer Freude, die sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. Nach einer kurzen Dusche suchte sie sich etwas zum Anziehen heraus, das sowohl den konservativen Maßstäben ihrer Mutter als auch Tricias ausgefallenem Geschmack gerecht wurde.
Dann spazierte sie in die Küche, kochte Kaffee und setzte sich an den Tisch, um ein paar Gedanken zu ihrem neuen Buch zu notieren. Mit der Hand. Erst als sie eine ganze Seite geschrieben hatte, gestand sie sich ein, was sie da gerade tat: Sie mied das Wohnzimmer, mied ihren Schreibtisch. Nur damit sie auch den Computer meiden konnte, der auf ihrem Schreibtisch stand. Im Gegensatz zu ihrem normalen Tagesablauf hatte sie das Teil noch nicht einmal hochgefahren, obwohl sie den Rechner gestern Nacht noch angeschlossen hatte.
Nach einer halben Stunde zitterte sie am ganzen Körper. Internetentzug. So schlimm, dass sie beinahe zu schwitzen begann. Aber sie blieb unentschlossen, wollte einerseits nachsehen und andererseits überhaupt nicht wissen, ob der Albtraum, in den sie hineingeraten war, weiterging.
Feigling! Bring’s einfach hinter dich!
Während sie unter der Dusche gestanden hatte, hatte Alec angerufen und ihr auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass Darwin ihr über Nacht nicht geschrieben hatte. Aber es blieb trotzdem ein letzter Rest von Sorge. Ganz zu schweigen von der schrecklichen Möglichkeit, dass der Psychopath beschlossen hatte, sie lieber per E-Mail zu belehren statt über öffentlich einsehbare Nachrichten.
Dennoch konnte sie nicht ewig einen Bogen um die virtuelle Welt schlagen. Das Bedürfnis, ihre Homepage zu besuchen, die übliche Runde über verschiedene Blogs zu drehen und ihre Mails zu checken, war schlimm genug; außerdem musste sie die blöde Adresse von diesem Restaurant heraussuchen. Ein richtiges, gedrucktes Telefonbuch hatte sie schon seit Jahren nicht mehr in der Hand gehabt.
Obwohl ihr das Herz irgendwo in der Nähe ihres Kehlkopfes schlug, setzte sie sich schließlich an den Schreibtisch und schaltete ihre Verbindung zum Rest der Welt ein – mit der Hoffnung, dass ein besonders bösartiger Teil dieser Welt ihr nicht schon zuvorgekommen war und noch einmal die Verbindung zu ihr hergestellt hatte.
Mit drei Autos war das Team in einer Kolonne nach Baltimore gefahren. Leider hatte sich irgendwann im morgendlichen Berufsverkehr auf dem Autobahnring ein Sattelschlepper einen MINI Cooper einverleibt. Richtung Norden waren zwei Spuren und der Standstreifen gesperrt. Dadurch nahm die Fahrt, die gestern eine Stunde gedauert hatte, heute Morgen knapp drei in Anspruch.
Als sie den Tatort erreichten, fiel Alec sofort das Chaos auf, das hier herrschte. Uniformierte Beamte der städtischen Polizeibehörde bewachten die Zufahrt. Irgendjemand hatte eine Menge Absperrband dafür verwendet, die umzäunte Baustelle zu kennzeichnen. Schaulustige – vom Anzug tragenden Geschäftsmann bis zum Hafenarbeiter – schlenderten auf der Straße umher. Männer mit Schutzhelmen standen in Grüppchen beisammen und fragten sich, wann sie wieder mit der Arbeit anfangen konnten. Und wie sie wohl
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