Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Charlies Vorstrafenregister rausholen wird.«
Ich hatte mir inzwischen das Klebeband vom Mund gerissen. So gut es ging, setzte ich mich unter dem Spülbecken auf und massierte mir die Hautpartien um den Mund. Sie fühlten sich steif und leblos an. Quer über meinem Schädel bis zur Stirn war eine Schwellung, die sich wie ein Höcker anfühlte.
»Was hast du vor, Clete?« sagte ich. Meine Stimme klang fremd und schien von ferne zu kommen.
»Darf ich dir Charlie Dodds vorstellen. Mein Gewährsmann aus Vegas sagt, daß ihm fünf Auftragsmorde für verschiedene Syndikate angelastet werden, und vielleicht hat er noch ’nen Typ auf dem Hof in Quentin kaltgemacht. Seine Sternstunde war allerdings, als er ’nen Zeugen der Bundespolizei umgenietet hat. Die vierzehnjährige Tochter von dem armen Kerl ist zufällig dazwischengeraten, da hat sie unser Charlie gleich mit aus dem Weg geräumt.«
»Gib mir den Schlüssel«, sagte ich.
Er richtete sich zu voller Länge auf und sah mich an, als wäre ich übergeschnappt.
»Du glaubst doch nicht, daß einer von uns dafür sorgen kann, daß dieses Arschloch hinter Gittern bleibt? Was ist mit dir los?« sagte er. »In drei Stunden spätestens ist er gegen Kaution draußen, wenn diese Hinterwäldler hier überhaupt Anklage erheben. Wie wir’s auch anstellen, noch vor den Fünf-Uhr-Nachrichten ist er wieder zwischen Sals Arschkriechern und hängt den Rüssel ins Koks. Und ich sag dir noch was, Dave. Der Leichenbestatter hat mir gesagt, daß er in Darlenes Auge ’ne Träne gefunden hat, die beim Waschen der Leiche nicht weggegangen ist. Kannst du dir vorstellen, was sie durchmachen mußte, bevor sie gestorben ist?«
Sein Unterkiefer zuckte, seine Gesichtshaut straffte sich, die durch seine Augenbraue und über den Nasenrücken verlaufende Narbe lief rot an, als er dem am Boden liegenden Mann hart ins Gesäß trat. Er ließ einen zweiten Tritt folgen, bevor er sich über ihn beugte und ihm den Lauf seines 38ers über den Hinterkopf zog. Laut sagte er »Scheiße«, als habe sich eine unstillbare Wut in ihm entladen, steckte dann den Revolver in die Jackentasche, riß den Mann, dessen Glieder willenlos baumelten wie die einer Marionette, am Gürtel auf die Füße, warf ihn gegen die Wand und drosch ihm gleichzeitig die massige Faust ins Gesicht.
Clete hielt ihn am Hals aufrecht und drosch immer wieder auf ihn ein, bis seine Knöchel rot glänzten und der Mann die Augen verdrehte. Blutiger Speichel lief ihm aus dem Mundwinkel.
»Um Himmels willen, Clete, laß es genug sein!« sagte ich. »Der Kerl ist alles, was wir haben. Denk doch mal nach, Mann.«
»Blödsinn. Charlie ist doch keine Heulsuse. Unser Mann hier hat Nehmerqualitäten.« Mit diesen Worten packte er ihn am Genick, trieb ihn quer durch den Raum vor sich her und schmetterte seinen Kopf gegen den Ofen. Ich sah, wie über einem Auge die Haut aufplatzte, dann warf Clete ihn wieder zu Boden. Die Augen des Mannes waren jetzt blicklos, die strohblonden Haare schweißverklebt.
Clete trat zu mir und stieß mich mit dem Unterarm an.
»Fühl mal meinen Puls«, sagte er. »Ich bin ganz ruhig, ich bin bester Stimmung, und ich hab auch meine beschissenen Gefühle unter Kontrolle. Ich hab keinen Ständer. Ich bin so ausgeglichen, wie man nur sein kann. Ich hab dir eben deinen Arsch gerettet. Wie wär’s zur Abwechslung mit ein bißchen Dankbarkeit?«
»Mach mich los, Clete, oder ich zahl’s dir irgendwann heim. Ich schwör’s dir.«
»Du wirst dich nie ändern, Streak. Du bist unbelehrbar.«
Clete hob Klebeband und Überlebensmesser auf und kniete sich neben den bewußtlosen Mann. Er riß etwa fünfundzwanzig Zentimeter Band von der Rolle, trennte es mit dem Messer ab und wickelte es dem Mann um den Mund. Dann kreuzte er ihm die Arme über dem Rücken, umwickelte jedes Handgelenk einzeln, zog eine Acht aus mehreren Lagen um die Gelenke und schnitt die Rolle ab. Das Messer war scharf wie eine Rasierklinge. Schließlich unterzog er die Fußknöchel des Mannes der gleichen Behandlung.
»Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich glaube, es taugt nichts«, sagte ich.
»Gegen mich liegt in Louisiana keine Mordanklage vor. Mich hat auch niemand ans Abflußrohr gefesselt. Und ich hab erst recht keine Beule am Ei. Vielleicht mach ich ja ab und zu mal was richtig. Versuch’s außer Dankbarkeit auch mal mit ’n bißchen Bescheidenheit.«
Er ging aus der Küche nach vorne, wo ich ihn Möbel herumrücken hören konnte; ein Stuhl
Weitere Kostenlose Bücher