Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
»Nein, du gehst vor mir her.«
Er verhielt sich weiterhin so, wie ich es ihm sagte, aber inzwischen hatte ich den .45er wieder entspannt und auf den Boden gerichtet. Wir gingen zur Gasse hinter der Garage. Am anderen Ende, dicht neben dem Geräteschuppen eines Nachbarn und im Schatten eines Ahornbaums, stand der Truck seiner Firma. Ich ließ die Waffe in meiner Gesäßtasche verschwinden. Sein Gesicht bebte vor Wut, und seine Hände, die eben noch schlaff heruntergehangen hatten, ballten sich zu Fäusten.
»Tut mir leid«, sagte ich.
»So, es tut Ihnen leid? Du verdammter Hurensohn, ich sollte dir dein Scheißgebiß in den Hals rammen.«
»Das wäre Ihr gutes Recht. Sie würden die ganze Geschichte wahrscheinlich nicht verstehen, aber jemand ist hinter mir und möglicherweise auch hinter meinem kleinen Mädchen her. Ich dachte, Sie wären der Kerl.«
»Ach ja? Wie wär’s, wenn Sie dann die Bullen einschalten würden. Eins kann ich dir verraten, Freundchen, ich hätte nicht übel Lust, dir den Arsch aufzureißen.«
»Kann ich Ihnen nicht verdenken.«
»Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
»Wollen Sie einen Freischlag haben?«
Der Blick, mit dem er mich anstarrte, war durchdringend und abwägend, währte aber nur einen kurzen Moment. Dann zielte er mit dem Finger auf mich.
»Sie können Ihre Geschichte den Bullen erzählen. Die werden Ihnen ’nen Besuch abstatten, das garantier ich Ihnen«, sagte er. Dann ging er zur Verandatreppe, räumte seine Werkzeuge wieder in die Ledertasche und sammelte den Inhalt seiner Brieftasche ein. Als er den Rasen überquerte und in dem Gäßchen verschwand, wo sein Truck stand, würdigte er mich keines Blickes. Der Wind schien alle Muskeln in meinem Gesicht zu dehnen.
Zehn Minuten später waren zwei Cops in Uniform da. Ich versuchte gar nicht erst, meine Auseinandersetzung mit Sally Dio zu erklären. Statt dessen teilte ich den beiden kurz und bündig mit, daß ich ein ehemaliger Polizist sei, daß mich die Drogenfahndung vor einem möglichen Anschlag gewarnt habe, daß sie Dan Nygurski in Great Falls anrufen könnten, der dies bestätigen werde, und daß ich gerade einen groben Fehler begangen hätte, für den ich mich entschuldigen wollte. Sie reagierten mit Irritation und einer gewissen Geringschätzung, aber da der Mann von der Telefongesellschaft zwar den Vorfall gemeldet, jedoch keine Anzeige erstattet hatte, wußte ich, daß die Sache im Sand verlaufen würde, wenn ich es vermied, die beiden zu provozieren.
»Ich hab mich einfach dumm und ungeschickt verhalten, tut mir leid«, sagte ich.
»Wo ist die Waffe?« sagte der Ältere. Er war groß, hatte eine Glatze und trug eine Pilotenbrille.
»Im Haus.«
»Ich schlage vor, genau dort lassen Sie sie auch. Außerdem schlag ich vor, daß Sie uns das nächste Mal anrufen, wenn jemand versucht, Ihnen was zu tun.«
»Ia, Sir, das werde ich. Genaugenommen hab ich’s ja auch versucht. Hat der Handzettelmann nicht angerufen?«
»Der was?«
»Ein Bursche, der Handzettel ausgetragen hat. Weil ich dachte, meine Leitung wäre durchtrennt, hab ich ihn zum Lebensmittgelgeschäft da vorne geschickt, damit er bei Ihnen anruft.« Ich merkte, daß ich wieder auf Einzelheiten einging, statt froh zu sein, daß die Geschichte so glimpflich ausgegangen war.
»Davon weiß ich nichts. Aber Sie können mir glauben, daß wir keine Lust haben, uns noch mehr Beschwerden über Sie anzuhören. Sind wir uns da einig?«
»Ja, Sir. Sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt.«
Sie fuhren davon, und ich versuchte, meinen Vormittag neu zu organisieren. Als der Streifenwagen draußen vorfuhr, waren etliche Nachbarn auf die Veranda gekommen. Da ich keine Lust hatte, mich im Haus zu verstecken, zog ich meine Turnhose und ein Paar alte Bootsschuhe an und begann, im Blumenbeet des Vorgartens Unkraut zu jäten. Die Sonne wärmte mir den Rücken, und der Klee war voller Bienen. Die Weiden am Flußufer bogen sich im Wind. Nach ein paar Minuten fiel der Schatten eines Mannes auf mich.
»Das Telefon war kaputt. Ich mußte hoch bis zum Broadway«, sagte der Mann. Seine klaren blauen Augen blickten unter der Kappe auf mich herab.
»Ach ja, wie geht’s Ihnen?« sagte ich. »Schauen Sie, tut mir leid, daß ich Sie so rumgescheucht habe. Es war blinder Alarm.«
»Ich hab von der Ecke aus gesehen, wie die Bullen abgezischt sind. Da hab ich mir erst noch ’n Soda gegönnt. Ist doch alles glatt gelaufen, hä?«
»Klar, ich schulde Ihnen jetzt fünf
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