Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
spürte, wie hart ihr Bauch und ihre Schenkel waren.
»Er hat jemand erschossen. Beim Kartenspiel«, sagte ich.
»Er ist kein schlechter Mensch. Mich behandelt er gut. Wir haben dir auch ein Geschenk mitgebracht. Wirst schon sehen.«
Sie hob mich hoch und trug mich zur Straße. Ich konnte erkennen, wie uns mein Vater mit dem Hammer in der Hand beobachtete. Neben der geöffneten Tür des Sportwagens setzte sie mich ab. Die Luft war feucht und in der Sonne brütend heiß, die Rohrkolben im Straßengraben waren mit Staub bedeckt.
»Komm und sieh’s dir an«, sagte sie. »Zeig es ihm, Mack. Es liegt hinter dem Sitz.«
Sein Gesicht war völlig ausdruckslos.
Ohne den Blick von der Straße zu wenden, griff er hinter sich und zog eine Papiertüte hervor. Sie war oben zusammengefaltet und mit einer Kordel verschnürt.
»Hier«, sagte sie und packte das Geschenk für mich aus. Ihr Kleid spannte über den Hüften, und sie hatte Grübchen an den
Knien. Per Mann stieg aus dem Auto, ging ein paar Schritte auf die Straße und zündete sich eine Zigarette an. Er sah meinen Vater nicht direkt an, aber die beiden hatten einander gut im Blick.
»Der Kreisel gefällt dir, was?« sagte meine Mutter. »Schau, er hat eine Kurbel. Wenn du die hoch- und runterdrückst, dreht er sich und pfeift dabei.«
Ihr schwarzes Haar war verschwitzt. Sie drückte mir den Kreisel in die Hand. Das heiße Blech verbrannte mir fast die Hand.
»Kommt er raus?« fragte der Mann.
»Nein. Er hat’s versprochen.«
»Das letzte Mal hat er was bei mir gutgehabt. Hast du ihm das gesagt?«
»Er will keinen Ärger mehr, Mack. Er läßt uns in Ruhe.«
»Da geb ich ’n Scheiß drauf.«
»Hör auf, so zu reden. Wir müssen los. Schau nicht rüber. Hast du verstanden, Mack?«
»Das nächste Mal kommt er nicht so schnell aus dem Gefängnis raus.«
»Wir fahren auf der Stelle los. Steig ein. Ich muß zur Arbeit. Dave muß auch nicht hier in der Hitze rumstehen. Hab ich recht, Davy? Los, Mack, du hast’s versprochen.«
Er schnippte seine Zigarette in den Straßengraben und klemmte sich hinters Lenkrad. Er trug braune Schuhe mit weißem Oberleder, von denen er mit einem Lumpen, den er unter dem Sitz hervorholte, den Staub abwischte. Ich sah, wie mein Vater seinen Hammer auf die Werkbank schmiß und dann den Hühnerstall in die Höhe hielt, um seine Arbeit von allen Seiten zu begutachten.
Meine Mutter beugte sich zu mir herab und drückte mich an sich. Ihre Stimme klang seltsam tief, als befänden wir uns beide unter einer Glasglocke.
»Ich bin nicht schlecht, Davy«, sagte sie. »Wenn dir jemand was anderes sagt, stimmt es nicht. Ich komm dich bald wieder besuchen. Dann unternehmen wir was zusammen, nur wir beide. Vielleicht gehen wir aus und essen Brathähnchen. Du wirst schon sehen.«
Aber bis ich sie wiedersah, verging eine lange Zeit. Die Siegeszeichen in den Vorgärten, die hinter Lattenzäunen gelegenen Sammelplätze für Kriegsopferspenden, wo sich abgefahrene Autoreifen und Kleiderbündel stapelten, die kleinen, quastenverzierten Seidenfahnen, die die Leute in ihre Fenster stellten und deren blaue und goldene Dienstgradsternchen anzeigten, wie viele Personen aus diesem Haushalt an der Front kämpften oder gefallen waren, all dies verschwand innerhalb eines Jahres – eine Ära ging zu Ende, und die Ölfirmen aus Texas fielen über das Land her. Ich hörte, daß meine Mutter mit farbigen Frauen in einer Wäscherei in Baton Rouge arbeitete, daß Mack an Tuberkulose gestorben war und daß sie einen Mann geheiratet hatte, der auf Jahrmärkten ein Karussell betrieb. Als ich schon sechzehn war und zum erstenmal in den Boundary Club auf dem Breaux Bridge Highway ging, eine Bruchbude, in der es hoch herging und auf deren schiefergedecktem Parkplatz es öfter zu wüsten Keilereien mit Messern und abgebrochenen Bierflaschen kam, sah ich sie hinter der Theke stehen und Bier zapfen. Sie hatte zugenommen, ihr Haar war schwarz gefärbt, und sie trug ein schwarzes Kleid, das die breite Narbe über dem Knie nicht verdeckte. Sie brachte ein Tablett mit Biergläsern an einen Tisch, an dem lauter Arbeiter von den Ölfeldern saßen, und setzte sich zu ihnen. Sie schienen sie alle gut zu kennen und boten ihr Zigaretten an, und als sie mit einem der Kerle tanzte, rieb sie ihren Bauch an seinem Unterleib. Ich stand neben der Musikbox und winkte ihr zu, und sie lächelte über die Schulter des Mannes zurück, aber ihrem Gesicht war anzusehen, daß sie mich nicht
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