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Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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standen offen wie bei frisch geschlüpften Vögeln.
    Dann sah ich, daß Alafair sie ebenfalls musterte. Sie blinzelte, als betätige sie eine Kamera in ihrem Kopf.
    »Was gibt’s denn da zu sehen, kleines Kerlchen?«
    »Sind das Indianer?«
    »Aber klar.«
    » Sind die wie ich?«
    »Na ja, nicht ganz, aber vielleicht bist du teilweise Indianer. Ein Cajun-Indianer vom Bayou Teche«, sagte ich.
    »Dave, was für eine Sprache sprechen die?«
    »Englisch, genau wie du und ich.« »Sie kennen keine spanischen Wörter?«
    »Nein, ich fürchte nicht.«
    Ich sah, wie ein fragender Ausdruck auf ihr Gesicht trat, dann wirkte sie besorgt.
    »Woran denkst du, kleines Kerlchen?«
    »Die Menschen in unserem Dorf. Die waren immer vor dem Krankenhaus. Genau wie die Leute dort.« Ihre Augen waren auf einen älteren Mann und eine Frau gerichtet. Die Frau war ziemlich fett, hatte Militärstiefel und schmutzige Sportsocken an den Füßen und saß so breitbeinig da, daß man ihr zwischen die Beine schauen konnte. »Dave, hier gibt’s keine Soldaten, oder?«
    »Da sollst du doch nicht mehr dran denken«, sagte ich. »Das hier ist ein gutes Land, ein sicherer Ort. Du mußt glauben, was ich dir sage, Alf. Was in eurem Dorf passiert ist, kann hier nicht passieren.«
    Sie legte den Rest des Hamburgers auf den Teller und senkte den Blick. Ihre Mundwinkel waren nach unten gezogen. Ihre gleichmäßig geschnittenen Fransen fielen über die sonnengebräunte Stirn.
    »Annie ist es aber passiert«, sagte sie.
    Ich wendete den Blick von ihr ab und spürte, wie ich hart schluckten mußte. Am Himmel zogen Wolken auf, ein ungemütlicher Wind war aufgekommen, der den Straßenstaub aufwirbelte, und die Sonne im Süden sah aus wie eine kleine, gelbe Oblate.
    Die Kirche, in der die Trauerfeier stattfand, war ein Fachwerkbau, dessen weißer Anstrich Blasen warf und allmählich abblätterte. Bis auf Clete und Dixie Lee, die in der ersten Reihe gleich neben dem aufgebahrten Sarg saßen, waren sämtliche Trauergäste Indianer. Sie trugen Zöpfe, hatten Gesichter, die von harter Arbeit gezeichnet waren, und Hände, denen man ansah, daß sie bei grimmiger Kälte ohne Handschuhe Baumstämme wuchteten. Der schwarze Metallsarg war mit weißer Seide ausgeschlagen und hatte glänzende Handgriffe aus Messing. Darlenes Haare wirkten auf der Seide noch schwärzer, ihrem Gesicht hatte man Rouge aufgelegt, und ihr Mund war so rot, als hätte sie gerade ein Glas eiskaltes Wasser getrunken. Sie trug eine Bluse aus Rehleder, und auf ihrer Brust ruhte eine Perlenkette mit einem purpurroten Glasvogel, der im Flug die Schwingen ausbreitete. Ihre Unterarme waren nicht sichtbar, da nur die obere Hälfte des Sargs aufgeklappt war.
    Cletes Gesichtshaut glänzte und spannte sich straff über den Wangenknochen. In seinem blauen Anzug wirkte er wie gekochter Schinken. Ich sah, daß sich in seiner Hemdtasche eine Zigarettenschachtel abzeichnete; seine dicken Handgelenke ragten aus den zu kurzen Ärmeln der Jacke hervor; der Kragenknopf unter dem Krawattenknoten war aufgesprungen; der Träger seines Schulterhalfters drückte sich an seinem Rücken ab. Seine Augen glitzerten, als starre er in eine Streichholzflamme.
    Von dem, was der Pfarrer sagte, bekam ich nicht viel mit; ich hörte gar nicht richtig hin. Er sah ausgemergelt aus und wirkte nervös, las aus dem Alten Testament und bemühte sich um tröstende Worte, so gut er konnte, doch der Regen, der mittlerweile aufs Dach und an die Fenster prasselte und wie eine Wand über die verkrusteten Felder und das Flußbecken rauschte, brachte meine Empfindungen weit besser zum Ausdruck.
    Ich sprach ein bestimmtes Gebet. Ich spreche es öfters, und es bezieht auch mich mit ein, doch da ich glaube, daß Gottes Existenz nicht wie unsere durch Zeit und Raum begrenzt wird, glaube ich wahrscheinlich auch, daß er die Vergangenheit beeinflussen kann. Manchmal, wenn ich allein bin, besonders nachts, wenn es dunkel ist und ich anfange, über das unerträgliche Leid zu grübeln, das die meisten Menschen vor dem Tod erdulden müssen, bitte ich Gott, ihre Schmerzen rückwirkend zu lindern, ihnen seelischen und körperlichen Beistand zu leisten, ihre Sinne zu betäuben und die flammende Angst zu besänftigen, die ihnen im letzten Moment in den Augen steht. Dieses Gebet sprach ich jetzt für Darlene. Danach sprach ich es ein zweites Mal für Annie, meine Frau.
    Der Friedhof, ein quadratisches Areal, windgepeitscht, unkrautüberwuchert und umschlossen von

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