Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
das zu meiner Verteidigung gegen eine Mordanklage in Louisiana nutzen? Und wer hatte Darlene umgebracht? Und warum? Meine Überlegungen kamen mir vor wie Hunde, die nacheinander schnappen.
Plötzlich wurde ich von Geräuschen aus meinen Gedanken gerissen. Jemand lief zwischen meinem Haus und dem des Nachbarn herum. Ich erhob mich, ging zur Schlafzimmertür und schaute durch das Fliegengitter zum Fenster hinaus. Im Laubschatten sah ich einen stämmigen blonden Mann, der einen gelben Schutzhelm und ein Jeanshemd mit abgeschnittenen Ärmeln trug und gerade zwischen den Büschen in Richtung Hinterhof verschwand. An seiner Seite klapperte ein Werkzeuggürtel. Ich ging leise zur Hintertür, von wo aus ich ihn mitten auf dem Rasen in der Sonne stehen sah; er hatte die Hände in die Hüfte gestützt und schaute zur Spitze des Telefonmasts hoch.
Sein kräftiger Bizeps war rot von der Sonne. »Kann ich Ihnen helfen?« sagte ich.
»Telefongesellschaft. Es gibt Probleme mit der Leitung hier.«
Ich nickte und antwortete nicht. Er schaute weiter den Mast hoch, dann wandte er sich an mich.
»Haben Sie heute schon telefoniert?« fragte er.
»Nein.«
» Hat es geklingelt und mittendrin aufgehört?«
»Nein.«
»Na ja, wird bloß ’ne Kleinigkeit sein. Ich muß mal eben den Mast rauf und nachher vielleicht Ihr Telefon benutzen.« Er lächelte mir zu und ging dann durch das Gäßchen hinter die Garage, wo ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Ich ging in die Diele, hob den Hörer ab und lauschte dem Freizeichen. Dann wählte ich die Nummer der Auskunft. Als sie sich meldete, legte ich auf. Ich sah erneut zur Hintertür hinaus, konnte den Mechaniker aber nirgends erblicken. Ich nahm wieder am Küchentisch Platz und machte mich über mein Frühstück her.
Irgendwas an dem Mann beunruhigte mich, aber mir wollte nicht einfallen, was es war. Vielleicht höre ich schon das Gras wachsen, dachte ich. Oder vielleicht wollte ich auch nur, daß sich der böse Drachen endlich zum Kampf stellte. Nein, das war es nicht. An dem Kerl stimmte etwas nicht, irgendwas fehlte oder paßte nicht zusammen. Ich betrat die Veranda. Nirgendwo stand ein Fahrzeug der Telefongesellschaft. Vier Häuser weiter kam ein kleingewachsener Mann mit einer Stoffkappe und zwei Leinensäcken, die kreuzweise um seine Brust baumelten, die Straße hoch und teilte Handzettel aus. Die prall gefüllten Säcke schienen schwer zu sein, denn sein T-Shirt war voller Schweißflecken. Ich ging zurück in die Küche, als ich wieder jemanden zwischen den beiden Häusern zu hören glaubte. Ich schaute zur Fliegengittertür hinaus, aber der Hinterhof war leer und der Mechaniker nirgendwo zu sehen. Dann ließen sich zwei Tauben auf dem Telefondraht nieder, und ich sah mir den Mast zum erstenmal genauer an. Die niedrigste Eisensprosse zum Erklimmen der Spitze befand sich etwa vier Meter über dem Boden, damit Kinder nicht auf den Mast klettern konnten.
Das ist es, schoß es mir durch den Kopf. Er hatte keine Steigeisen an den Schuhen und trug auch keinen Sicherheitsgurt. Ich ging zurück in die Diele und hob den Hörer des Telefons ab. Die Leitung war tot.
Ich holte den .45er aus dem Nachttisch neben dem Bett. Er lag mir kalt und schwer in der Hand. Ich zog den Schlitten nach hinten und ließ ein Hohlspitzgeschoß in die Kammer flutschen, dann entspannte ich den Hahn, Draußen war es still, und die Büsche vor dem Schlafzimmerfenster warfen tiefe Schatten auf das Fliegengitter. Ich ging zur Vordertür, als der Handzettelverteiler auf die Veranda kam. Ich steckte den ,45er hinten in den Hosenbund und trat aus dem Haus.
»Hören Sie, gehen Sie zu dem kleinen Lebensmittelgeschäft drüben an der Ecke, rufen Sie die Auskunft an und verlangen Sie die Polizei«, sagte ich. »Sagen Sie denen einfach: ›An der Front Street 778 findet gerade ein Überfall statt.‹ Würden Sie mir diesen Gefallen tun, Partner?«
»Was?« Er war mittleren Alters, doch das struppige, strohblonde Haar, das unter seiner Kappe hervorstand, und die klaren blauen Augen verliehen ihm ein fast kindliches Aussehen.
»Ich hab hier grade Schwierigkeiten. Ich brauche Hilfe. Ich geb Ihnen fünf Dollar, wenn die Polizei hier ist. Schauen Sie, sagen Sie der Auskunft nur, daß hier die Polizei gebraucht wird, und nennen Sie diese Nummer ...« Ich deutete über die Fliegengittertür, wo die drei Blechziffern hingen. Dann holte ich mein Taschenmesser raus, brach die angeklebten Nummern von der Holzwand und drückte sie ihm
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