Black Coffee
Formel? Was bedeutet sein Tod denn für die meisten hier? Ich will es Ihnen sagen: Freiheit, Monsieur Poirot. Freiheit und, wie Sie eben erwähnten, Geld. Dieser alte Herr war ein Tyrann und, soweit es nicht um seine geliebte Arbeit ging, ein Geizkragen obendrein.«
»Das alles haben Sie gestern abend erkannt, Monsieur le docteur? « fragte Poirot unschuldig.
»Und wenn?« gab Carelli zurück. »Ich habe Augen im Kopf. Ich bin nicht blind. Mindestens drei Personen in diesem Haus haben sich Sir Claud aus dem Weg gewünscht.« Er stand auf und blickte zu der Uhr auf dem Kaminsims. »Aber das ist jetzt nicht meine Sorge.«
Hastings beugte sich sehr interessiert vor, als Carelli fortfuhr: »Es ist mir höchst unangenehm, daß ich meine Verabredung in London nicht einhalten kann.«
»Ich bin untrösdich, Monsieur le docteur «, beteuerte Poirot. »Aber was kann ich tun?«
»Also, wenn Sie mich jetzt nicht weiter brauchen...« sagte Carelli.
»Im Augenblick nicht.«
Dr. Carelli ging zur Tür, öffnete sie und drehte sich dann wieder um. »Eines möchte ich noch anmerken, Monsieur Poirot. Es gibt Frauen, die sollte man nicht zu weit treiben, sonst wird es gefährlich.«
Poirot verbeugte sich höflich. Carelli erwiderte die Verbeugung mit ironischem Lächeln und ging.
12
Nachdem Carelli fort war, starrte Hastings noch eine ganze Weile mit großen Augen zur Tür. »Sagen Sie, Poirot!« rief er schließlich. »Was hat er denn damit wohl gemeint?«
Poirot zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich war es nur so dahingesagt«, meinte er.
»Aber Poirot!« beharrte Hastings. »Ich bin sicher, daß Carelli Ihnen etwas mitteilen wollte.«
»Klingeln Sie doch noch einmal, Hastings«, antwortete der kleine Detektiv nur. Hastings kam der Aufforderung zwar nach, konnte sich einer weiteren Frage aber nicht enthalten: »Was gedenken Sie jetzt zu tun?«
Poirots Antwort fiel so orakelhaft aus, wie man es sich von ihm nur wünschen konnte. »Abwarten, mein lieber Hastings. Geduld ist eine große Tugend.«
Treadwell kam wieder in die Bibliothek und erkundigte sich respektvoll wie immer: »Bitte, Sir?«
Poirot strahlte ihn an. »Ah, Treadwell. Würden Sie mich wohl bei Miss Caroline Amory empfehlen und sie fragen, ob sie die Güte hätte, mir ein paar Minuten zu opfern?«
»Sehr wohl, Sir.«
»Ich danke Ihnen, Treadwell.«
Der Butler ging, und Hastings rief: »Aber die Ärmste liegt im Bett! Sie werden doch nicht von ihr verlangen, aufzustehen, wenn sie sich nicht wohl fühlt.«
»Mein Freund Hastings weiß doch wieder einmal alles! Sie liegt also im Bett, ja?«
»Etwa nicht?«
Poirot klopfte ihm freundlich auf die Schulter. »Das möchte ich ja gerade feststellen.«
»Aber –« setzte Hastings ihm geduldig auseinander – »Wissen Sie denn nicht mehr? Richard Amory hat es uns doch gesagt.«
Der Detektiv blickte seinen Freund fest an. »Mein lieber Hastings«, sagte er, »hier ist ein Mensch getötet worden. Und was tut die Familie? Sie lügt, lügt an allen Ecken und Enden. Warum will Madame Amory, daß ich gehe? Warum will Monsieur Amory, daß ich gehe? Warum will er verhindern, daß ich mit seiner Tante spreche? Was könnte sie mir erzählen, das ich seiner Meinung nach nicht hören soll? Ich sage Ihnen, Hastings, hier spielt sich ein Drama ab! Wir haben es nicht mit einem normalen, gemeinen Verbrechen zu tun, sondern mit einem echten, ergreifenden menschlichen Drama!«
Er hätte sich über dieses Thema wohl noch weiter ausgebreitet, wäre in diesem Augenblick nicht Miss Amory eingetreten. »Monsieur Poirot«, sprach sie ihn gleich an, während sie die Tür schloß, »Treadwell sagt, Sie möchten mich sprechen?«
»O ja, Mademoiselle.« Poirot ging ihr entgegen. »Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Wollen Sie nicht Platz nehmen?« Er geleitete sie zu einem der Stühle am Tisch, und sie setzte sich und sah ihn ängstlich an. »Aber ich habe gehört, Sie wären im Bett, krank?« fuhr Poirot fort, während er sich ihr mit besorgter Miene gegenübersetzte.
»Es war natürlich ein schlimmer Schock«, seufzte Caroline Amory. »Ganz schlimm. Aber wie ich immer sage, irgendwer muß die Übersicht behalten. Das Personal ist völlig kopflos. Aber Sie wissen ja, wie Dienstboten so sind«, fuhr sie jetzt etwas lebhafter fort.
»Begräbnisse sind ihre größte Freude. Ich glaube, ein Tod ist ihnen lieber als eine Hochzeit. Und nun der liebe Dr. Graham! Er ist so gütig – ein wahrer Trost. So ein guter Arzt, und
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