Black Coffee
natürlich hat er auch Barbara so gern. Ich finde es schade, daß Richard anscheinend nicht so viel von ihm hält, aber – was wollte ich sagen?
Ach ja, Dr. Graham. So jung noch, und letztes Jahr hat er mich vollkommen von meiner Nervenentzündung kuriert. Nicht daß ich oft krank wäre. Aber wissen Sie, die nachwachsende Generation ist ja wohl alles andere als robust. Gestern abend erst die arme Lucia, mußte sogar vom Essen weggehen, weil ihr nicht gut war. Das arme Kind ist ja das reinste Nervenbündel, aber was erwartet man schon bei dem italienischen Blut in ihren Adern? Ich weiß noch, als ihr Diamantcollier gestohlen wurde, war es genauso mit ihr –«
Miss Amory machte eine Atempause. Während ihrer Rede hatte Poirot sein Zigarettenetui gezückt und sich eine Zigarette anzünden wollen, aber jetzt nutzte er die Pause zu der Zwischenfrage: »Madame Amory wurde ein Diamantcollier gestohlen? Wann war das, Mademoiselle?«
Miss Amory setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Mal überlegen, das muß – ja, vor zwei Monaten war es – etwa um dieselbe Zeit, als Richard so einen Streit mit seinem Vater hatte.«
Poirot betrachtete die Zigarette zwischen seinen Fingern. »Sie gestatten, daß ich rauche, Mademoiselle?« fragte er, und als ein gnädiges Nicken es ihm erlaubte, nahm er eine Streichholzschachtel aus der Tasche, zündete die Zigarette an und sah dann wieder ermunternd zu Miss Amory, die jedoch keine Anstalten machte weiterzureden. »Ich glaube«, half er nach, »Sie wollten gerade erzählen, daß Monsieur Amory sich mit seinem Vater gestritten hat.«
»Ach ja. Es ging nur um Richards Schulden. Natürlich haben alle jungen Männer Schulden! Claud selbst war allerdings nie so einer. Er war immer so fleißig, schon als junger Bursche. Später, da haben natürlich seine Experimente viel Geld aufgezehrt. Ich habe ihm immer gesagt, daß er Richard finanziell zu kurz hält. Aber – ja – vor ungefähr zwei Monaten, da hatten sie mal einen ganz gehörigen Krach, und dann die Sache mit Lucias verschwundenem Diamantcollier und ihrer Weigerung, die Polizei zu rufen. Eine Menge Aufregung, damals.
So aberwitzig auch, das Ganze! Nerven, sage ich, nichts als Nerven!«
»Stört der Rauch Sie wirklich nicht, Mademoiselle?«
fragte Poirot, indem er seine Zigarette in die Höhe hielt.
»O nein, überhaupt nicht«, versicherte ihm Miss Amory. »Ich finde, Rauchen gehört zu einem Herrn.«
Poirot merkte erst jetzt, daß seine Zigarette gar nicht richtig brannte, und griff erneut nach der Streichholzschachtel. »Aber es ist doch recht ungewöhnlich für eine schöne junge Frau, den Verlust ihres Geschmeides so gelassen hinzunehmen, nicht?« meinte er, während er die Zigarette noch einmal anzündete und die beiden abgebrannten Streichhölzer sorgsam in die Schachtel legte, die er dann wieder in die Tasche steckte.
»Ja, merkwürdig ist das. So würde ich es nennen«, pflichtete Miss Amory ihm bei. »Ausgesprochen merkwürdig. Aber bitte, es hat ihr anscheinend gar nichts ausgemacht. Oje, und jetzt rede und rede ich hier über Dinge, die Sie unmöglich interessieren können, Monsieur Poirot.«
»Oh, was Sie mir da erzählen, Mademoiselle, interessiert mich ungemein«, beteuerte Poirot. »Aber sagen Sie, als Madame Amory gestern abend vom Tisch aufstand, weil sie sich nicht wohl fühlte – ist sie da nach oben gegangen?«
»Nein«, antwortete Miss Amory. »Hierher ist sie gekommen. Ich habe dafür gesorgt, daß sie sich aufs Sofa setzt, dann bin ich wieder ins Speisezimmer gegangen und habe sie hier in Richards Obhut gelassen. Jungvermählte, Sie verstehen schon, Monsieur Poirot. Dabei sind die jungen Männer von heute ja längst nicht mehr so romantisch wie zu meiner Zeit! Oje, wenn ich an einen gewissen Aloysius Jones denke! Wir haben immer Krocket zusammen gespielt. Der dumme Junge – dummer, dummer Junge! Da, sehen Sie, nun schweife ich schon wieder ab. Wir waren doch bei Richard und Lucia. Finden Sie nicht, daß sie ein schönes Paar abgeben, Monsieur Poirot? Er hat sie in Italien kennengelernt – an den italienischen Seen, genauer gesagt – das war vorigen November. Liebe auf den ersten Blick.
Keine Woche später haben sie geheiratet. Sie war eine Waise, stand ganz allein auf der Welt. Sehr traurig, obwohl ich manchmal denke, ob es nicht doch eher ein Segen ist. Stellen Sie sich vor, sie hätte so eine riesige ausländische Verwandtschaft – das könnte ein bißchen anstrengend werden, meinen Sie
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