Black Coffee
Ich wollte nur gern mit Monsieur Poirot sprechen, aber ich kann ja später wiederkommen.«
»Nein, nein«, rief Poirot. »Ich habe die arme Miss Amory jetzt schon lange genug gefoltert!«
Miss Amory stand auf. »Ich fürchte, ich habe Ihnen nichts Nützliches sagen können«, entschuldigte sie sich auf dem Weg zur Tür.
Poirot erhob sich, um sie hinauszubegleiten. »Sie haben mir sogar sehr vieles von Nutzen gesagt, Mademoiselle. Vielleicht mehr, als Sie selbst wissen«, versicherte er ihr, während er ihr die Tür aufhielt.
13
Als Miss Amory gegangen war, wandte Poirot sich Edward Raynor zu. »Nun, Monsieur Raynor«, begann er, nachdem er den Sekretär zum Platznehmen aufgefordert hatte, »dann wollen wir hören, was Sie uns zu sagen haben.«
Raynor setzte sich und sah Poirot ernst an. »Mr. Amory hat mir eben das Neueste über Sir Claud berichtet. Ich meine die Todesursache. Das ist ja ungeheuerlich, Monsieur.«
»Hat es Sie überrascht?« fragte Poirot.
»Aber ja! An so etwas hätte ich nie gedacht.«
Poirot ging zu ihm und gab ihm den gefundenen Schlüssel, wobei er den Sekretär genau beobachtete.
»Haben Sie diesen Schlüssel schon einmal gesehen, Monsieur Raynor?« fragte er.
Raynor nahm den Schlüssel und drehte ihn mit nachdenklicher Miene hin und her. »Sieht so ähnlich aus wie der Schlüssel zu Sir Clauds Safe«, sagte er. »Aber wie ich von Mr. Amory weiß, befand sich Sir Clauds Schlüssel an seinem Schlüsselbund.« Er gab Poirot das vermeintliche Beweisstück zurück.
»Stimmt, dies hier ist ein Schlüssel zu dem Safe in Sir Clauds Arbeitszimmer, aber ein Nachschlüssel«, klärte Poirot ihn auf, bevor er langsam und vielsagend hinzufügte: »Dieser Nachschlüssel lag auf dem Boden, und zwar neben dem Stuhl, auf dem Sie gestern abend gesessen haben.«
Raynor sah dem Detektiv ruhig in die Augen. »Wenn Sie annehmen, ich hätte ihn dort fallen gelassen, sind Sie im Irrtum«, sagte er.
Poirot blickte ihn forschend an, dann nickte er zufrieden. »Ich glaube Ihnen«, sagte er. Mit ein paar schnellen Schritten ging er zum Sofa, setzte sich und rieb die Hände aneinander. »Nun zu Ihrer Arbeit, Monsieur Raynor. Sie waren Sir Clauds Privatsekretär, wenn ich es richtig sehe?«
»Ja.«
»Dann wußten Sie über seine Arbeit gut Bescheid?«
»Ja. Ich habe selbst eine naturwissenschaftliche Vorbildung und konnte ihm gelegentlich bei seinen Experimenten helfen.«
»Ist Ihnen irgend etwas bekannt«, fragte Poirot, »was Licht in diese unselige Angelegenheit bringen könnte?«
»Nur das.« Raynor stand auf, zog einen Brief aus der Tasche und reichte ihn Poirot. »Zu meinen Aufgaben gehörte es, Sir Clauds gesamte Post zu öffnen und zu sortieren. Das hier kam vor zwei Tagen.«
Poirot nahm den Brief und las laut: »›Sie nähren eine Viper an Ihrem Busen.‹ Busen? « meinte er mit einem fragenden Blick zu Hastings, bevor er weiterlas: »›Nehmen Sie sich vor Selma Goetz und ihrer Brut in acht. Ihr Geheimnis ist bekannt. Hüten Sie sich.‹ Unterschrift: ›Späher‹. Hm, wie theatralisch! Hastings, daran dürften Sie Ihre Freude haben.« Er gab den Brief an seinen Freund weiter.
»Nun möchte ich nur eines wissen«, sagte Edward Raynor. »Wer ist Selma Goetz?«
»Ich glaube, Ihre Neugier kann befriedigt werden, Monsieur«, antwortete Poirot, indem er sich zurücklehnte und die Fingerspitzen aneinanderlegte. »Selma Goetz war die erfolgreichste internationale Spionin, die man je gekannt hat. Außerdem war sie eine sehr schöne Frau. Sie hat für Italien, Frankreich, Deutschland und schließlich, soviel ich weiß, auch für Rußland gearbeitet. O ja, sie war eine bemerkenswerte Frau, diese Selma Goetz.«
» War? « fragte Raynor, indem er bestürzt einen Schritt zurücktrat.
»Sie ist tot«, sagte Poirot. »Im November letzten Jahres in Genua gestorben.« Er ließ sich den Brief von Hastings, der ihn mit verwundertem Kopfschütteln gelesen hatte, zurückgeben.
»Dann ist das also nur ein dummer Scherz?« rief Raynor.
»Das ist die Frage«, meinte Poirot bedächtig. »›Selma Goetz und ihre Brut‹, heißt es hier. Selma Goetz hat eine Tochter hinterlassen, Monsieur Raynor, ein sehr schönes junges Mädchen. Seit dem Tod ihrer Mutter ist sie vollkommen von der Bildfläche verschwunden.« Er steckte den Brief ein.
»Wäre es denn möglich –?« begann Raynor, hielt aber inne.
»Ja, bitte?« versuchte Poirot ihn zu ermuntern. »Sie wollten etwas sagen, Monsieur?«
Raynor kam wieder
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