Black Dagger 04 - Bruderkrieg
Jetzt.«
»Was haben Sie vor?«
»Wir fahren zurück in die Stadt. Ich wollte die anderen zusammenrufen, um ihnen heute Abend eine Unterrichtsstunde zu erteilen. Aber es sieht wohl so aus, als hätte ich mein Anschauungsmaterial verloren.«
U neigte den Kopf. »Dann nichts wie los. Holen wir uns neues.«
Rhage betete inständig um ein Ventil, während er die Kneipenmeile der Innenstadt ablief. Es war kalt und regnerisch, und er war mit den Nerven am Ende. Innerlich kochte er vor Wut und Schmerz. Vishous hatte bereits vor zwei Stunden den Versuch aufgegeben, mit ihm zu sprechen.
Als sie wieder auf die Trade Street stießen, blieben sie neben der Tür des Screamer’s stehen. Eine ungeduldige, fröstelnde Menge stand Schlange vor dem Klub, und zwischen den Menschen standen vier Vampire.
»Das ist mein letzter Versuch, Hollywood.« V zündete sich eine Selbstgedrehte an und schob seine Baseballkappe in den Nacken. »Was soll das Schweigen? Hast du noch Schmerzen von gestern Nacht?«
»Mir geht’s bestens.«
Rhage schielte in eine dunkle Ecke der Straße.
Schwachsinn. Es ging ihm überhaupt nicht bestens. Seine Sehschärfe war beim Teufel, egal wie häufig er blinzelte, er konnte im Dunklen kaum etwas erkennen. Normalerweise vernahm er Geräusche aus einer Entfernung von über einem Kilometer, aber heute musste er sich schon voll konzentrieren, um das Geplapper aus der Schlange vor dem Screamer’s zu hören.
Sicher, er war aufgewühlt wegen der Sache mit Mary;
von der Frau, die man liebte, derart auf Abstand gehalten zu werden, konnte einen Mann wirklich fertigmachen. Aber diese Veränderungen waren physiologisch, keine Gefühlsduselei.
Und er wusste auch, woran es lag. Die Bestie war heute Nacht nicht bei ihm.
Es hätte eine Erleichterung sein sollen. Das verdammte Biest los zu sein – und wenn auch nur vorübergehend –war ein Segen. Nur, dass er sich offensichtlich schon viel zu sehr daran gewöhnt hatte, sich auf die hellwachen Instinkte des Untiers zu verlassen. O Mann, der Gedanke, dass er eine Art symbiotische Beziehung mit seinem Fluch hatte, war wirklich eine Überraschung. Wie auch die Verletzlichkeit, die momentan damit einherging. Nicht dass er an seiner Geschicklichkeit im Faustkampf oder seiner Schnelligkeit mit dem Dolch zweifelte. Es war mehr, als versorge ihn die Bestie normalerweise mit Informationen über seine Umgebung, auf die er sich gewohnheitsmäßig verließ. Außerdem war die hässliche Kreatur ein sagenhafter Trumpf im Ärmel. Wenn sonst alles schieflief, machte sie einfach kurzen Prozess mit ihren Feinden.
»Sieh mal einer an«, ließ sich V vernehmen und nickte nach rechts.
Zwei Lesser kamen die Trade Street entlang, das weiße Haar leuchtete im Scheinwerferlicht eines Autos auf. Wie Marionetten, die an denselben Schnüren hingen, drehten die Köpfe sich gleichzeitig zu ihm und Vishous um. Die beiden verlangsamten ihren Schritt. Blieben stehen.
V ließ die Zigarette fallen und trat sie mit dem Stiefelabsatz aus. »Ganz schön viele Zeugen für einen Kampf.«
Die Jäger schienen das Gleiche zu empfinden, sie machten keine Anstalten anzugreifen. In einer Pattsituation kam die bizarre Etikette im Krieg zwischen der Bruderschaft und den Lesser zum Tragen: Unauffälligkeit unter
Angehörigen von Homo sapiens war entscheidend, um die Tarnung beider Seiten aufrechtzuerhalten. Mitten in einer Menschenmenge aufeinander loszugehen, nützte keinem von ihnen.
Während die Brüder und die Lesser einander finster anstarrten, bekamen die Menschen um sie herum nichts von der Anspannung mit. Die Vampire in ihrer Mitte allerdings wussten sehr genau, was los war. Unruhig traten sie von einem Fuß auf den anderen und dachten eindeutig an Flucht. Rhage blickte sie durchdringend an und schüttelte ganz langsam den Kopf. Der sicherste Ort für diese Jungs war hier in der Öffentlichkeit, und er hoffte inständig, dass sie das begriffen.
Doch natürlich rannten die vier los.
Die verdammten Lesser lächelten. Und sprinteten ihrer Beute hinterher wie zwei Leichtathletikweltmeister.
Rhage und Vishous gingen von null auf hundert und rasten hinterher.
Törichterweise rannten die Vampire in eine Seitenstraße hinein. Vielleicht hofften sie darauf, sich zu dematerialisieren. Vielleicht konnten sie vor Angst nicht mehr klar denken. In jedem Fall verringerten sie dadurch ihre Chancen, lebend aus der Sache herauszukommen, beträchtlich. Wegen des Eisregens waren dort keine Menschen unterwegs, und
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