Black Dagger 08 - Vampirherz
Hand vor die Augen, obwohl sie keine Tränen mehr übrig hatte.
»Ich liebe dich«, wiederholte er. »Also, ja … wenn du mich darum bätest, würde ich es nicht tun.«
Sie senkte die Hand wieder und schluchzte leise auf. »Schwöre es. Jetzt sofort.«
»Bei meiner Mutter.«
»Danke …« Sie zog ihn in die Arme. »Gütige Jungfrau … danke. Und für das Nähren finden wir eine Lösung. Mary und Rhage haben es geschafft. Ich will nur – Butch, wir werden eine gute Zukunft haben.«
Sie schwiegen eine Weile, saßen einfach nur still auf dem
Boden. Dann sagte er plötzlich ohne Überleitung: »Ich habe drei Brüder und eine Schwester.«
»Was?«
»Ich habe noch nie mit dir über meine Familie gesprochen. Ich habe drei Brüder und eine Schwester. Eigentlich hatte ich zwei Schwestern, aber wir haben eine verloren.«
»O.« Sie lehnt sich zurück. In was für einem merkwürdigen Tonfall er jetzt sprach.
»Meine früheste Kindheitserinnerung ist die, als meine Schwester Joyce als Neugeborene aus dem Krankenhaus kam. Ich wollte sie mir ansehen und rannte zu ihrer Wiege, aber mein Vater schubste mich beiseite, damit mein älterer Bruder und meine Schwester sie sehen konnten. Während ich gegen die Wand prallte, hob mein Vater meinen Bruder hoch, damit er das Baby anfassen konnte. Ich werde nie die Stimme meines Vaters vergessen …« Butchs Akzent veränderte sich, die Vokale wurden ganz flach. »Das ist deine neue Schwester, Teddy. Du wirst sie lieben und auf sie aufpassen. Ich dachte: Und was ist mit mir? Ich würde sie auch gerne lieben und auf sie aufpassen. Ich sagte, Pa, ich möchte auch helfen. Er sah mich nicht einmal an.«
Marissa merkte plötzlich, dass sie Butchs Hand so fest drückte, als wollte sie ihm die Knochen brechen. Doch er schien es überhaupt nicht zu bemerken. Und sie konnte den Griff einfach nicht lockern.
»Danach«, fuhr er fort, »begann ich, meine Eltern zu beobachten ; zu beobachten, wie unterschiedlich sie mit den anderen Kindern umgingen. Hauptsächlich freitags und samstags. Mein Vater trank gern, und wenn er dann etwas zum Abreagieren brauchte, dann war ich meist dran.« Als Marissa scharf die Luft einsog, schüttelte Butch vollkommen teilnahmslos den Kopf. »Nein, ist schon in Ordnung. Es war gut. Dank ihm kann ich heute ordentlich was einstecken, und glaub mir, das kam mir schon diverse Male ziemlich gelegen.
Eines Tages jedenfalls, an einem vierten Juli … damals war ich fast zwölf …« Er rieb sich den Kiefer. »Also, es war der vierte Juli, und wir machten bei meinem Onkel in Cape Cod einen auf Familienfest. Mein Bruder klaute ein paar Biere aus der Kühlbox, und er und seine Kumpels gingen hinter die Garage und machten sie auf. Ich versteckte mich in den Büschen, weil ich auch eingeladen werden wollte. Du weißt schon, ich hoffte, mein Bruder würde …« Er räusperte sich. »Als mein Vater kam, um nach ihnen zu suchen, rannten die anderen Jungs weg, und mein Bruder machte sich beinahe in die Hose. Mein Vater hat nur gelacht. Sagte zu Teddy, er dürfte es bloß nie meiner Mutter erzählen. Dann sah Dad mich im Gebüsch hocken. Er kam auf mich zu, zerrte mich am Kragen hoch und verpasste mir mit dem Handrücken einen so heftigen Schlag, dass ich Blut spuckte.«
Verbissen lächelte Butch und gab unwillkürlich den Blick auf die unebene Kante seines Vorderzahns frei.
»Er erklärte mir, das sei dafür, dass ich ein Schnüffler und eine Petze sei. Ich schwor ihm, ich hätte nur zugesehen, ich würde es niemandem erzählen. Aber er knallte mir noch eine und nannte mich einen Perversen. Mein Bruder – mein Bruder sah einfach nur zu. Sagte kein Wort. Und als ich später mit meiner aufgeplatzten Lippe und dem abgeschlagenen Zahn an meiner Mutter vorbeikam, drückte sie nur meine kleine Schwester Joyce fester an sich und drehte den Kopf weg.« Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich ging ins Badezimmer und wusch mich, dann ging ich in das Zimmer, in dem ich schlafen sollte. Gott war mir scheißegal, aber ich kniete mich hin, legte meine Hände aneinander und betete wie ein guter Katholik. Ich flehte Gott an, dass dies nicht meine Familie war. Bitte, lass das nicht meine Familie sein. Bitte, lass es einen anderen Ort geben, an den ich gehen kann …«
Sie hatte das Gefühl, er merkte gar nicht, dass er ins
Präsens gerutscht war. Oder, dass er das goldene Kreuz an seinem Hals umklammert hielt, als hinge sein Leben davon ab.
Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen
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