Black Dagger 13 - Racheengel
schweren Ständern warfen flackerndes Licht auf die Gravuren, die in der Alten Sprache verfasst waren.
»Wir sind Vampire«, erwiderte er. »Keine Elfen.«
»Manchmal bin ich mir da nicht so sicher. Schau dir doch nur dieses Arbeitszimmer an, in dem euer König hockt.«
»Er ist fast blind.«
»Was erklärt, warum er sich noch nicht in diesem pastellfarbenen Alptraum erhängt hat.«
»Ich dachte, du nörgelst über die düstere Einrichtung?«
»Ich assoziiere frei vor mich hin.«
»Man merkt’s.« Tohr hielt die Augen gesenkt, um den Engel nicht durch Blickkontakt weiter zu ermutigen. Aber, halt, Lassiter musste man ja gar nicht ermutigen.
»Erwartest du, dass dieser Schädel auf dem Altar zu dir spricht oder was?«
»Eigentlich warten wir beide darauf, dass du mal zwischendurch die Luft anhältst.« Tohr funkelte den Engel an. »Wann immer du bereit bist. Wann immer.« «
»Du bist stets so reizend.« Der Engel pflanzte seinen Leuchtpopo neben Tohr auf die Steintreppe. »Kann ich dich mal etwas fragen?«
»Kann ich nein sagen?«
»Nö.« Lassiter rutschte umher und starrte zu dem Schädel hinauf. »Dieses Ding sieht älter aus als ich. Und das will etwas heißen.«
Es war der erste Bruder, der erste Krieger, der unerschrocken dem Feind entgegentrat, das heiligste Symbol von Stärke und Bestimmung der Bruderschaft.
Zur Abwechslung lästerte Lassiter nicht. »Er muss ein großer Kämpfer gewesen sein.«
»Ich dachte, du wolltest mich etwas fragen.«
Der Engel stand fluchend auf und schüttelte die Beine aus. »Ja, ich meine... wie zur Hölle kannst du hier so lange sitzen? Mein Hintern bringt mich jetzt schon um.«
»Ja, Hirnkrämpfe sind echt scheußlich.«
Obwohl der Engel Recht hatte, was die Zeit betraf. Tohr hatte bereits so lange hier gesessen und den Schädel sowie die Mauer mit den Namen dahinter angestarrt, dass er seinen
tauben Hintern bald nicht mehr von den Steinstufen unterscheiden konnte.
Er war in der Vornacht hierhergekommen, gezogen von einer unsichtbaren Hand, auf der Suche nach Inspiration, nach Klarheit, nach einer neuen Verbindung zum Leben. Stattdessen hatte er nur Stein gefunden. Kalten Stein. Und eine Menge von Namen, die ihm einst etwas bedeutet hatte und jetzt nicht mehr als eine Auflistung von Toten war.
»Du suchst eben am falschen Ort«, meinte Lassiter.
»Du kannst jetzt gehen.«
»Es treibt mir jedes Mal die Tränen in die Augen, wenn du das sagst.«
»Lustig, mir auch.«
Der Engel beugte sich herunter, der Geruch von frischer Luft ging von ihm aus. »Weder diese Mauer noch dieser Schädel werden dir geben, wonach du suchst.«
Tohr verengte die Augen zu Schlitzen und wünschte sich, er hätte die Kraft, diesen Kerl abzuschütteln. »Ach nein? Nun, dann strafen sie dich aber lügen. >Die Zeit ist gekommen. Heute Nacht ändert sich alles.< Tolle Vorhersage. Du redest einfach nur Müll.«
Lassiter lächelte und rückte ungerührt den Goldring zurecht, der seine Augenbraue durchstach. »Wenn du glaubst, Beleidigungen könnten mich beeindrucken, wird dir die Luft ausgehen, bevor ich es überhaupt bemerke.«
»Aber warum bist du eigentlich hier, verdammt!« Tohrs Erschöpfung stahl sich in seine Stimme und schwächte sie, was ihn nervte. »Warum konntest du mich nicht liegengelassen, wo ich war?«
Der Engel stieg die schwarzen Marmorstufen hinauf und zog vor der glänzenden Mauer mit den Namengravuren Kreise. Ab und an blieb er stehen, um einen oder zwei der Namen zu inspizieren.
»Zeit ist ein Luxus, ob du es glaubst oder nicht«, sagte er.
»Ich empfinde sie eher als Fluch.«
»Aber was bliebe dir ohne Zeit?« »Der Schleier. Der Ort, zu dem ich unterwegs war, bis du daherkamst.«
Lassiter fuhr mit dem Finger einen Schriftzug nach, und Tohr wandte den Kopf ab, als er erkannte, welcher es war. Sein eigener Name.
»Ohne Zeit«, fuhr der Engel fort, »bleibt dir nur der bodenlose, formlose Morast der Ewigkeit.«
»Nur zu deiner Information: Philosophie langweilt mich.«
»Nicht Philosophie. Realität. Zeit gibt dem Leben seine Bedeutung.«
»Ach, fick dich doch ins Knie. Im Ernst... fick dich.«
Lassiter neigte den Kopf, als hätte er etwas gehört.
»Endlich«, murmelte er. »Der Bastard treibt mich in den Wahnsinn.«
»Wie bitte?«
Der Engel kam zu Tohr, beugte sich zu seinem Gesicht herunter und sagte sehr deutlich: »Hör zu, Sonnyboy. Deine Shellan Wellsie hat mich geschickt. Deshalb habe ich dich nicht sterben lassen.«
Tohrs Herz setzte aus,
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