Black Mandel
verdächtigen. Er war wie Hannibal Lecter, und der Mandel und ich waren Jodie Foster.
Nach dem dritten Bier ging ich zurück zu Vilde. Sie öffnete mir die Tür in einem neongrünen Trainingsanzug.
»Hallo, wie geht’s dir, Sigi?«, fragte sie.
»Ist doch vollkommen egal, wie’s mir geht. Wie geht’s dir?«
»Wieder besser«, sagte sie.
»Wo ist dein Mitbewohner?«, fragte ich und folgte Vilde ins Wohnzimmer.
»Er ist wieder an der Uni. Er ist dort Dozent.«
»Und für welche Fächer?«
»Volkskunde und Frühgeschichte.«
»Da schau her«, sagte ich.
»Er wirkt nur so unfreundlich. Im Grunde ist er ein liebenswerter Mensch«, sagte Vilde.
»Wie sah der Einbrecher denn aus?«, wollte ich wissen.
»Ganz in Schwarz. Mit einer Balaclava.«
»Womit?«
»Einer Maske. Einer Skimaske«, sagte Vilde.
»Und wie hat er gerochen?«, wollte ich wissen, weil ich das in Kriminalfällen immer vermisse, dass keiner nach dem Geruch fragt. Wo man sich doch einen Geruch in Verbindung mit einer starken Emotion über Jahrzehnte hinweg merken kann. Könnte man einen Geruch wie ein Phantombild aufmalen, ich könnte jetzt und hier sofort den Geruch von der Veronika Malleck aufmalen. Ich weiß auch noch genau, wie der Pfarrer Gneissel gerochen hat, diese Mischung aus Weihrauch und Old Spice. Dazu der scheußlich süße Weichspülergeruch seiner Hemden. Das war das Verdienst seiner Haushälterin, der krähigen alten Hinrainerin. Ich glaube, das war ihre Lebensaufgabe, die Hemden vom Gneissel so weiß wie nur menschenmöglich zu waschen und dabei den Lebensgesamtverbrauch einer fünfköpfigen Familie an Weichspüler zu verschwenden.
»Wie er gerochen hat?«, fragte Vilde erstaunt und setzte sich auf die Couch.
»Ja. Das ist doch immer wichtig, wie jemand riecht. Das macht einen unverkennbar.«
»Nicht ungewöhnlich hat er gerochen«, sagte Vilde.
»War es ein vertrauter Geruch?«, fragte ich.
»Es war gar kein bestimmter Geruch, denke ich«, sagte Vilde, und so kamen wir natürlich nicht weiter.
»Ist dir sonst noch etwas aufgefallen? Wie lange hat der Überfall gedauert?«
Vilde sah aus, als müsste sie sich jeden Moment übergeben.
»Tut mir leid. Ich will nur helfen.«
»Ich weiß«, sagte Vilde und hielt sich die Hände vor die Augen.
»Es fällt mir schwer, darüber zu reden.«
»Tut mir wirklich leid. Du warst mit Gunarr Aasen zusammen, hat Håvard erzählt«, sagte ich.
»Ja. Wieso?«
»Ist er schlecht auf dich zu sprechen?«
»Das kann man so nicht sagen. Wir haben uns halt getrennt.«
»Weshalb?«
»Weil er nicht loslassen konnte. Er hat immerzu über Raske und Død und über damals gesprochen. Dabei lebt er seit fast zwanzig Jahren ein völlig anderes Leben und sollte froh sein, sich davon befreit zu haben.«
»Wovon befreit zu haben?«, fragte ich.
»Vom Svarte Sirkel. Von dem Wahnsinn, der damals passiert ist. Von Raske«, sagte Vilde.
»Raske«, wiederholte ich ohne einen bestimmten Grund.
»Er ist doch jetzt Videoregisseur. Er hat Videos für Dimmu Borgir und Britney Spears gemacht. Und für Rammstein, eure Band.«
»Das ist nicht unsere Band«, sagte ich.
»Kommen die nicht aus Deutschland?«, fragte Vilde.
»Doch … Das ist ja eine erstaunliche Karriere von deinem Gunarr. Ich würde ihn gerne mal wegen deinem Bruder und seiner Verbindung zu Raske sprechen. Hast du noch seine Nummer?«, bat ich Vilde, und sie suchte in ihrem Zimmer aus ihrer Schreibtischschublade eine Visitenkarte heraus. Ich war ihr hinterhergegangen und stand jetzt vor dem Bett, in dem vor Kurzem noch der Mandel gelegen war und vermutlich Dinge mit Vilde getan hatte, die man sich nicht vorstellen mochte. Sie gab mir die Visitenkarte.
FTFF (Fuel To The Fire Films) – Gunarr Aasen, CEO
»Gunarr und Cristian haben kein gutes Verhältnis«, sagte Vilde.
»Ich werde behutsam vorgehen«, sagte ich. »Und ich weiß, es ist total unpassend, aber kannst du mir ein paar Kronen leihen? Der Automat hat meine Karte nicht genommen. Ich geb dir das Geld später zurück«, sagte ich, weil das Geld vom Mandel für die drei Bier im Garage draufgegangen war.
Ich telefonierte von der Küche aus mit Gunarr Aasen und fand seine Stimme auf Anhieb angenehm. Sie war tief und vermittelte ein Gefühl von Geborgenheit. Ich sagte ihm, dass ich im Auftrag von Vilde als privater Ermittler Baalberiths Verschwinden untersuchte und dass wir dringend seine Hilfe benötigten. Aasen bestellte mich ohne hörbare Skepsis für neunzehn Uhr in sein
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