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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Strich durch die Überlebensrechnung machte.
    High time to come home.
    An den beiden Ufern hatte er Häuser gesehen, aber kein Licht. Der Mandel hatte sich eh dazu entschlossen, Grimnir nicht weiter mit Tritten ins Gesicht, überhasteten Fluchtversuchen oder hysterischen Hilfeschreien zu verärgern. Heute Nacht war mit Grimnir nicht zu verhandeln, das merkte selbst ein Mensch ohne Einfühlungsvermögen wie der Mandel.
    »Ganz rauf«, sagte Grimnir, und dabei lief ihm Flüssigkeit aus dem Mund.
    »Das mit dem Kiefer tut mir leid, Olaf. Das war ein Reflex«, sagte der Mandel.
    »Es gibt keinen Olaf mehr. Nur noch Demogorgon«, schlürfte Grimnir und bohrte dem Mandel die Spitze des Gewehrs ins Hemd. Schon wieder ein neuer Name, aber der Mandel merkte ihn sich natürlich sofort.
    »Gut, Demogorgon. Was muss ich tun, damit du mir vertraust? Ich will Utgang nicht schädigen. Ich begleite euch und mache eure Anliegen publik.«
    »Du musst den Tod in dir spüren, sonst bist du nicht bereit für die Wilde Jagd. Du musst ein Wesen zwischen den Welten sein, so wie ich, sonst bist du nicht bereit für die Wilde Jagd. Ich war schon mal tot. Seitdem sehe ich die Dinge, wie sie wirklich sind. Ich sehe, wie das Land verfault, ich sehe, wie es verfault und wurmstichig ist. Ich kann riechen, wie es verfällt. Ich kann sehen, wie es welkt.«
    High time to come home.
    »Jetzt reiß dich bitte zusammen, Olaf, und lass uns zurück nach Fykse fahren. Du holst dir sonst den Tod bei der Kälte«, sagte der Mandel, die Vaterfigur.
    Als Grimnir lachte, sah es für einen Moment so aus, als würde sein Kiefer ganz aus seinem Gesicht herausbrechen und auf den Asphalt der Brücke fallen.
    »Steig da rauf, oder ich schieß dir deinen Schädel in zwei Hälften«, sagte Grimnir.
    Das war allerdings eine deutliche Absage an die Beschwichtigungsversuche vom Mandel. Er stieg auf das Brückengeländer und beugte sich nach vorne, um sich an dem schmalen Bogen festzuhalten, der außerhalb des Geländers vorbeilief.
    »Steig auf den Bogen«, sagte Grimnir.
    »Nein«, sagte der Mandel.
    Grimnir schoss neben dem Mandel ins Leere, und der machte vor lauter Schreck einen Satz nach vorne. Jetzt hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen. Mit den Händen hielt er sich aber immer noch am Brückenbogen fest, sodass er jetzt frei schaukelnd über dem schwarzen Fjord hing. Mit einem Klimmzug schaffte er es unter enormer Gewaltanstrengung nach oben auf den Brückenbogen, für einen Unsportlichen wie den Mandel eine Jahrhundertleistung. Er kauerte sich erschöpft zwischen zwei Streben.
    »Spring jetzt«, sagte Grimnir, und der Mandel überprüfte ein letztes Mal seine Optionen. Er hätte versuchen können, den Brückenbogen im Dunkeln weiter nach oben zu klettern und auszuharren, bis Olaf freiwillig wieder nach Hause ging, aber irgendetwas sagte ihm, dass Olaf heute Nacht der Ausdauerndere sein würde. Vielleicht würde Grimnir den Mandel auch einfach von der Brücke herunterschießen, wenn es ihm da unten zu langweilig oder zu kalt wurde.
    »Erst wenn der Tod an dir hochkriecht, bist du wirklich bereit für die Wilde Jagd«, sagte Grimnir.
    High time to come home.
    »Und wenn ich krepiere?«, fragte der Mandel mittlerweile ein bisschen verzweifelt. »Dann kann ich überhaupt nicht mehr an der Wilden Jagd teilnehmen. Und dann hat keiner was davon.«
    »Der Tod ist das Schönste. Das wäre ein Glücksfall für dich«, sagte Grimnir.
    Das war’s, dachte der Mandel. Er hatte jetzt genug gehört, um sicher zu sein, dass in einer offenen Debatte mit Grimnir kein Konsens mehr zu erzielen war – und sprang.
    Ich erinnere mich noch ziemlich genau an einen Abend im letzten Sommer, als das Büro gut lief und der Mandel und ich abends auf den Stufen vom Dom saßen. Die Sonne war gerade erst untergegangen, obwohl es schon spät war. Die Stufen waren noch warm vom Tag, und die letzten Touristen verließen den Lustgarten. Nur noch ein paar Pärchen blieben auf Decken liegen. Der Mandel hatte uns in dem Café am Wasser Bier von Peroni geholt. Dass es eine gute Idee von mir war, sich aus dem alten Leben zu lösen, hat der Mandel zugegeben und mit mir angestoßen. Wir waren noch nicht einmal in der Mitte des Sommers, es lag noch eine Menge Sommer vor uns. Aus den zwei Peroni wurden in kürzester Zeit acht. Ich weiß noch, dass ich an dem Abend hundemüde war und nicht viel gesagt habe. Der Mandel natürlich auch nicht, und so haben wir ganz ruhig nebeneinander auf den noch warmen

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