Black Monday
unten.«
»Soll ich Ihnen nicht lieber beim Suchen helfen?«
»Ich könnte Ihnen nicht mal sagen, wonach Sie suchen sollen.«
Als sie ein Knirschen hören – Scherben unter Schuhen –, wirbeln sie herum und sehen eine korpulente, elegant gekleidete blonde Frau in der Tür der Nachbarwohnung stehen. Das dick aufgetragene Make-up ist verschmiert. Sie trägt einen schicken schwarzen Hosenanzug und eine Perlenkette um den fleischigen Hals. In dem flackernden Licht wirkt sie völlig verängstigt. Gerard erkennt, dass sie eine Bewohnerin ist, keine Plünderin.
»Ich hab mich versteckt, als sie gekommen sind«, flüstert sie.
Ihr Gesicht ist vom Weinen verquollen, und Gerard schätzt sie auf irgendwas zwischen vierzig und sechzig. Ihm fällt auf, dass er in den vergangenen Wochen nur in den Zonen A und B dicke Menschen gesehen hat.
»Die hatten Knüppel und Äxte. Ich hab gehört, wie sie alles zerschlagen haben. Ich hab mich in der Badewanne versteckt, aber ich war sicher, dass sie mich finden.«
»Wer wohnt in Apartment 4C?«, fragt Gerard.
»Pastor Young. Er ist weg. Alle sind weg. Joel hat gesagt, hier wäre ich in Sicherheit, aber ich kann ihn nicht finden. Er hat unser ganzes Geld und Mister Ted mitgenommen! Kann ich mit Ihnen kommen?«
Sie fängt wieder an zu weinen.
»Ja, wenn wir gehen.« Gerard hat keine Ahnung, was er mit der Frau machen soll. Mit nach Hause nehmen?
»Hat Joel Sie geschickt?«, fragt sie hoffnungsvoll. »Hatte Joel den Kater bei sich? Mister Ted ist überhaupt nicht gern draußen.«
»Warten Sie in Ihrer Wohnung, Ma'am.«
Sie scheint protestieren zu wollen, als fürchtete sie, er könnte verschwinden, zieht sich aber dann doch zurück. Von irgendwoher sind Salven aus einem Schnellfeuergewehr zu hören.
Pettigout wirft Gerard einen nervösen Blick zu. »Heute Nachmittag waren wir in einen Häuserkampf verwickelt, Sir. Dieser Mob ist ziemlich übel. Falls die zurückkommen, sitzen wir hier in der Falle.«
»Das FBI wird jeden Augenblick eintreffen«, antwortet Gerard.
»Vielleicht. Aber ich hab gehört, dass einige unserer Einheiten abkommandiert wurden, um das FBI-Hauptquartier zu verteidigen. Da soll es hoch hergegangen sein.«
Gerard spürt, wie sein Puls schneller wird. Selbst ausgebildete Forensiker würden es schwer haben, hier irgendwelche Beweise zu finden. Dutzende von Fremden haben in diesen Zimmern gewütet. Durch die zerschlagenen Fenster weht Schnee herein. Die Böden sind übersät mit Fußspuren.
Dann, als er lauter leere Konservendosen auf dem Boden vor dem Kühlschrank entdeckt, wird ihm klar, was die Plünderer hier gesucht haben.
Young hatte Lebensmittel.
Nach der Anzahl der leeren Dosen zu urteilen, muss der Mann jede Menge Lebensmittel besessen haben. Leere Erbsen-, Corned-Beef-, Mais- und Thunfischdosen. Leere Müsli- und Cornflakesschachteln. Leere Orangensaftkartons. Leere Olivengläser und blank geleckte Weichkäsepackungen. Brottüten, in denen sich nicht ein einziger Krümel befindet. Leere Spaghettipackungen, als wäre jemand so ausgehungert gewesen, dass er die Nudeln ungekocht gegessen hat.
»Hamsterer«, hat jemand über die Spüle an die Wand gesprüht.
Wieso ist das FBI noch nicht hier?
Pettigout, der im Korridor steht und per Funk mit seinen Kameraden Kontakt hält, ruft nach Gerard.
»Arnie sagt, im Park auf der anderen Straßenseite sind Leute. Er meint, die Leute kommen zurück, Sir.«
Gerard lässt seine Skihandschuhe an, um die Forensiker, die hier nach Fingerabdrücken suchen sollen, nicht noch mehr zu verwirren. Wo bleiben die bloß? Es scheint unmöglich, dass die Plünderer irgendetwas von Wert übersehen haben könnten. Gerard stellt sich in die Mitte des Zimmers, entschlossen, die Suche noch nicht aufzugeben.
Das Licht geht aus.
Einen Augenblick lang fürchtet er, dass Bartholomew dahintersteckt. Dann wird ihm klar, dass der Strom wieder ausgefallen sein muss.
Die Frau in der Nachbarwohnung fängt an zu schreien. »Ich halte das nicht mehr aus!« Gerard hört, wie Kochtöpfe gegen die Wand krachen. Hat sie einen Tobsuchtsanfall? Oder ist sie in Panik geraten und sucht nach Kerzen?
»Pettigout, geben Sie mir Ihre Taschenlampe!«
Im Licht der Taschenlampe sieht Apartment 4C noch schlimmer aus als vorher. Gerard lässt seinen Blick rundum schweifen, bemüht sich, die Ruhe zu bewahren, hofft, dass irgendetwas einen Gedanken, eine Erinnerung, eine Antwort nach sich zieht. Hier hat ein Verteiler von Delta-3 gewohnt. Er hat hier
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