Black Monday
geschlafen und hoffentlich irgendwelche Botschaften zurückgelassen, irgendwelche Zeichnungen, Hinweise, DNA. Aus diesen Fenstern hat er die Welt betrachtet. Von diesem Zimmer aus hat er Tag für Tag seine Erfolge und Fehlschläge gezählt.
Okay, Bartholomew oder Clayton oder wer auch immer du bist, was hast du hier für mich hinterlassen?
Der Strahl der Taschenlampe huscht über die demolierte Einrichtung. Gerard versucht sich vorzustellen, wie dieses Tollhaus vor der Verwüstung ausgesehen hat. Die umgekippte Kaffeemaschine und der Toaster auf der Küchenanrichte wirken neu. Der offene Koffer auf dem Boden hat wahrscheinlich die Kleidung enthalten, die überall im Zimmer herumliegt: Hemden Größe M, Hosen Größe 33/32. Der Lichtstrahl fällt auf einen zerschlagenen Laptop. Vielleicht funktioniert die Festplatte ja noch. Gerard klappt den Laptop zu und wickelt ihn in ein Hemd, um das Gerät zu schützen und sich nicht daran zu schneiden. Ein paar unbeschriftete CDs steckt er ebenfalls ein. Vielleicht finden sich darauf zumindest Fingerabdrücke. Er fühlt sich eher als Müllsammler denn als Spurensucher. »Arnie hat im Park zehn Leute gezählt, Sir.« Gerard findet noch eine Taschenlampe, gibt sie Pettigout und weist ihn an, weiterhin zu versuchen, seine Frau in der Marion Street und die Soldaten im Zoo per Handy zu erreichen. Falls er zu den Soldaten durchkommt, soll er fragen, ob Pastor Young gefangen genommen oder getötet wurde. Falls er in die Marion Street durchkommt, soll er ausrichten, dass er und die Kinder in Sicherheit sind und bald nach Hause kommen werden.
Seit mehreren Minuten schon habe ich kein Geräusch mehr von nebenan gehört. Die Frau muss sich beruhigt haben.
»Sir, Arnie sagt, es sind inzwischen achtzehn Leute.« Neuerdings gibt es mehr verwüstete Wohnungen als intakte. In den Küchenschränken findet Gerard nur Plastikgeschirr und Plastikschüsseln. Zwischen der Matratzenfüllung und den aufgeschlitzten Kissen auf dem Fußboden liegen Bücher und Videos. Im Licht der Taschenlampe liest er die Titel der Videos: Der Pate und L.A. Crash. »Arnie sagt, zwei Männer kommen über die Straße.« Gerard wünschte, er wüsste, was sich auf dem Laptop befindet. Denn er hat nirgendwo Fotos gefunden. Keine Notizhefte und keine Zeichnungen. Keine Landkarten, keine Telefonnummern, keine Namen.
Zehn weitere Minuten vergehen.
»Arnie sagt, die Männer wollen unsere Pferde kaufen.«
Vor Gerards geistigem Auge taucht Dr. Larch auf.
»Hast du überall nachgesehen?«, fragt Larch.
»In zwanzig Minuten? Das schafft doch niemand.«
»Niemand wird hier irgendetwas finden, wenn die Plünderer zurückkommen.«
Von der Straße her sind erregte Stimmen zu hören. Verkaufen Sie uns wenigstens ein Pferd, sagt jemand. Warum sollten Sie zwei Pferde haben, wenn unsere Kinder hungern müssen?
Der Soldat auf der Straße schreit: »Zurück, oder ich schieße!«
Im Bad findet Gerard keine rezeptpflichtigen Medikamente, aber er packt die Zahnbürste ein. Wenn er Glück hat, findet sich daran Bartholomews DNA. Im Wäscheschrank liegen ein paar Handtücher, sonst nichts. Im Wohnzimmer steigt Gerard auf den Tisch, um eine neue Perspektive zu gewinnen. Bei der Durchsuchung einer Wohnung mit einer Taschenlampe bleiben immer neunundneunzig Prozent im Dunkeln. Aber das eine Prozent, das er sieht, tritt im Lichtstrahl der Taschenlampe umso deutlicher hervor.
Er schlägt Bücher auf und blättert darin, um nachzusehen, ob irgendetwas zwischen den Seiten steckt. Er nimmt Videos aus ihren Hüllen, um nachzusehen, ob sich noch etwas anderes darin verbirgt.
Pettigout hat recht. Wir müssen von hier verschwinden.
Und dann, als er gerade aufgeben will, entdeckt Gerard etwas auf dem Boden. Ein altes, kleines, in schwarzes Leder gebundenes Buch, das aussieht wie eine Bibel. Die in Gold geprägten Buchstaben auf dem Buchrücken glitzern im Licht der Taschenlampe. Als Gerard den Titel liest, bekommt er einen trockenen Mund.
Die sieben Säulen der Weisheit. Von T. E. Lawrence.
Gerard hebt das Buch auf. Das Deckblatt zieren zwei gekreuzte Krummsäbel, und darunter steht: »Das Schwert bedeutet auch Sauberkeit und Tod.«
Raines hat gesagt, dass alle falschen Namen in diesem Buch stehen.
Er schlägt das Buch auf und richtet den Lichtstrahl auf die mit blauem Filzstift geschriebene Widmung auf der ersten Seite.
»Es gibt nichts Besseres als einen klugen und treuen Freund«, liest er laut. »Benjamin Franklin.« Und: »Niemand
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