Black Monday
Sie kann bleiben, so lange sie will«, sagt Gerard.
Annie besteht darauf, am nächsten Tag zum Zoo zu gehen und sich um die Gepardenbabys zu kümmern. Sie will mit der U-Bahn fahren.
»Das wird sie ablenken«, sagt Gerard. »Sie hängt an den Kleinen.«
Alle Leute machen sich Sorgen um Familienmitglieder, die derzeit irgendwo unterwegs sind, sagt Marisa. Die Studenten können nicht nach Hause fahren. Alte Leute sitzen in irgendwelchen Städten fest. Marisa versucht, ihre Eltern in Vermont dazu zu überreden, sich aus den Bergen nach Manchester zu begeben, weil die Lebensmittelversorgung dort draußen schwierig werden könnte.
»Ich werde sie anrufen und ein bisschen Druck machen«, verspricht Gerard.
»Übrigens, kennst du jemanden namens Clayton Cox? Er hat angerufen und behauptet, er würde dich von der Uni her kennen. Er ist hier in der Stadt und hängt in seinem Hotel fest.«
Gerard versucht sich zu erinnern. Er war mit vielen Leuten an der Uni. Clayton muss einer davon gewesen sein.
»Ich habe ihm gesagt, du wärst eine Weile weg«, sagt Marisa. »Er wollte noch mal anrufen und hat gefragt, womit du dich zurzeit beschäftigst. Vielleicht lade ich ihn zu uns ein, wenn er allein in der Stadt ist. Er hat mir irgendeine komische Geschichte von der Uni erzählt. Du hättest im Studentenwohnheim Swing Sock Baseball gespielt.«
»Lass dir seine Nummer geben, falls er noch mal anruft. Aber lad ihn nicht nach Hause ein«, sagt Gerard. »Ich kann mich an keinen Clayton Cox erinnern.«
Um 17 Uhr ertönt draußen der Zapfenstreich. Gerard braucht nicht aus dem Fenster zu sehen, um zu wissen, dass jetzt alle Fahrzeuge stillstehen und alle im Fort Haltung annehmen, den Blick so ehrfürchtig auf die US-Flagge gerichtet, wie sich die Muslime nach Mekka hin verbeugen. Die Fanfarenklänge, die über Lautsprecher übertragen werden, verstärken noch den Eindruck eines historischen Ereignisses – als wäre Amerika der Krieg erklärt worden.
Von einem Feind, den man ohne Mikroskop nicht einmal sehen kann.
Als Marisa wieder anruft, sagt er: »Ich bin hier nutzlos. Ich kann den Wissenschaftlern nicht helfen. Raines und ich stellen Nachforschungen an, die gleichzeitig an hundert anderen Orten durchgeführt werden. Ich muss mir was anderes einfallen lassen, um diese Mikrobe zu vernichten.«
»Es wird dir gelingen. Wie immer.«
Dann ruft er Theresa an, fragt, ob er für einen Abend nach Hause fahren kann, um mit anzupacken, mit den Kindern zu reden, sie zu beruhigen.
»Für private Fahrten gibt es kein Benzin. Lass uns zusammen zu Abend essen. Zumindest versorgt uns Uncle Sam hier im Fort mit drei Mahlzeiten pro Tag.«
7. November. 10 Tage nach dem Ausbruch.
»Wir haben einen zweiten Übeltäter in dem Mix identifiziert«, verkündet Theresa triumphierend am Telefon. »Verlasst euren Kerker, edler Ritter. Kommt her und seht ihn euch an.«
Sein Weg zum Labor führt ihn vorbei an Büros, in denen über Radio und Fernsehen von Kraftwerksausfällen in New England berichtet wird. Ein fürchterlicher Schneesturm mit Temperaturen weit unter null Grad tobt über den Rocky Mountains. Tausende haben kein Heizöl mehr und können ihre Häuser nicht verlassen.
Im Labor steht Theresa gemeinsam mit Wissenschaftlern über zwei Ausdrucke mit Sequenzdaten gebeugt. Auf beiden ist jeweils ein großer Kreis gezeichnet, der in Tortenstücke unterteilt ist. Der erste Kreis stellt Delta-3 dar, der zweite Kreis die neu entdeckte Mikrobe. Alle Tortenstücke auf beiden Ausdrucken sind mit den Buchstaben ACBG gekennzeichnet – die Ribosomen repräsentieren –, allerdings in unterschiedlicher Anordnung. Der Computer hat die Kombinationen miteinander verglichen und bei einigen Kuchenstücken eine Übereinstimmung entdeckt, die durch Schraffierung hervorgehoben sind.
»Es handelt sich um einen Kohlenwasserstoff-Fresser aus Usbekistan«, erklärt Theresa. »Er wurde vor sieben Jahren in einer Ölquelle entdeckt, aber erst heute hat man uns darüber informiert. Die hatten schon Angst, wir könnten sie für Delta-3 verantwortlich machen. Aber die Vernunft hat sich schließlich doch durchgesetzt. Mikrobe zwei ist zwar nicht dominierend, aber immerhin ein weiteres Teilstück.«
»Wem gehört das Ölfeld?«, fragt Gerard.
»Crescent Oil.«
»Hat es denen auch schon vor sieben Jahren gehört?«
»Keine Ahnung.«
Gerard ruft Raines an und nennt ihm die Ölquelle. Er soll herausfinden, wer die Quelle vor sieben Jahren betrieben und wer seither
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