Black Monday
veränderte Gang, die angespannten Schultern lassen darauf schließen, dass er jetzt wachsamer ist.
»Dein Englisch ist gut, eigenartiger Junge.«
»Die Ärzte im Lager haben Englisch gesprochen.«
»Wo sind deine Eltern?«
»Männer haben meine Mutter enthauptet«, sagt er und rechnet mit der üblichen schockierten Reaktion. Aber der Mann mustert ihn nur anerkennend.
»Hinter der nächsten Ecke wird es passieren«, sagt Clayton und spürt, wie seine Sinne sich schärfen angesichts des bevorstehenden Kampfes.
Nachdem sie an der Ecke abgebogen sind, verengt die Straße sich zu einer Gasse, wo nur noch Fußgänger unterwegs sind. Hier ist es ziemlich düster. Die Sechzig-Watt-Birne, die von der Decke baumelt, ist kaputt oder ein Stück aus dem Gewinde gedreht. Die meisten Läden sind über die Mittagszeit geschlossen. Der Besitzer des Teppichladens – auch ein Mann des Weißen Dschihad –, der gerade das Rollgitter herunterlässt, hält inne. Erwartungsvoll schaut er den Touristen an. Doch als er den Bettlerjungen entdeckt, wirkt er verwirrt.
Mit einer Handbewegung versucht er, Clayton zu verscheuchen.
Die Jungs hinter uns müssen mit ihm verwandt sein. Wahrscheinlich kriegt er einen Anteil von dem, was sie klauen.
Clayton weiß, wie die Sache ablaufen soll. Die Jungs werden den Mann niederschlagen, ihm ein paar Tritte verpassen, seine Taschen leeren und sich dann in alle Richtungen aus dem Staub machen.
»Mein Freund! Er ist verwundet!«
Vor ihnen wälzt sich ein älterer Junge – ein auf dem ganzen Bazar bekannter Schläger – auf dem Boden, als litte er Schmerzen. Ein zweiter, der sich auf eine Krücke stützt, ruft um Hilfe.
»Bitte, helfen Sie ihm, Sir.«
Clayton flüstert: »Jetzt!«
Er wirbelt herum, zieht unter seinem karierten Hemd ein Springmesser hervor und lässt die Klinge herausschnellen. Die Jungs, die soeben aus dem Schatten hervorgetreten sind, bleiben wie angewurzelt stehen. Einer ist mit einem Bananenmesser bewaffnet, drei schwingen mit Nägeln gespickte Knüppel.
Die wollen den Mann nicht nur ausrauben, sondern ihn richtig fertigmachen.
Clayton hört, wie der Mann erstaunlich gelassen und in fließendem Arabisch zu dem Jungen am Boden sagt: »Der Prophet sagt, der Dieb wird tausendmal bestraft werden.«
Clayton muss laut lachen. Dann folgt die nächste Überraschung. In dem Augenblick, als der Ladenbesitzer sich auf den Fremden stürzt, begreift Clayton, dass er der Anführer der Bande ist.
Jetzt greifen die Jungs an.
Wie immer bei solchen Kämpfen erfasst Clayton instinktiv die Absichten seiner Gegner und ihre Bewegungen wie in Zeitlupe. Der erste Junge hält sein Messer zu hoch. Claytons Klinge schießt vor. Er entgeht dem Schlag mit dem Knüppel, der dicht an seinem Ohr vorbeisaust.
Der Junge mit dem Messer schreit: »Mein Gesicht!«
Der »Krüppel« hebt seine Krücke und will damit zuschlagen, doch Clayton versetzt seinem Knie einen derartigen Tritt, dass es laut kracht.
Der große Junge, der am Boden gelegen hat, macht sich aus dem Staub.
Als Clayton sich umdreht, steht der blonde Mann über den Ladenbesitzer gebeugt, der reglos auf dem Kopfsteinpflaster liegt, den Kopf so merkwürdig abgewinkelt, dass er aussieht wie ein Huhn, dem man den Hals umgedreht hat.
Der Blonde hat dem Mann mit bloßen Händen das Genick gebrochen.
»Alles in Ordnung, mein neuer Freund?«, fragt er.
»Die Polizei wird gleich hier sein, Feranj. Wir müssen uns verstecken.«
Das scheint den Mann zu amüsieren.
»Die Polizei ist kein Problem. Aber diese Burschen hatten den Auftrag, mich zu töten. Und dich werden sie auch töten, wenn du hier bleibst. Das dürfen wir nicht riskieren.«
Der Junge wundert sich, dass sich jemand um ihn sorgt. Ein freudiges Gefühl durchströmt ihn.
Der Mann schaut ihn nachdenklich an. »Ich hätte auf meinen Leibwächter hören und während der Verhandlungen nicht allein auf den Bazar gehen sollen. Komm mit mir ins Hotel.«
Der Junge lächelt.
»So meine ich das nicht. Wie heißt du?«
»Nennen Sie mich, wie Sie wollen.«
Aber diese Antwort, die er sonst immer gibt, scheint den Mann zu ärgern. »So etwas darfst du nie sagen«, ermahnt er ihn, als sie davoneilen. Außerhalb des Bazars winkt er ein Taxi heran. »Namen sind wichtig. Ein Name gibt Auskunft darüber, wer du bist. Mein Name zum Beispiel verbindet mich mit tausend Jahren der Verantwortung. Such dir einen neuen Namen aus, wenn du willst. Einen britischen Namen. Du siehst aus wie ein
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