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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wiederholte er.
    »Sag deiner Mutter, dass ich hier bin«, erklärte ich.
    »Wieso?«
    »Sie wird wissen, wieso.«
    Daraufhin starrte er mich lange an, und als ich zurückschaute und in diese kalten blauen Augen blickte, überlegte ich, ob es wohl möglich war, dass er Blut an den Händen hatte. Ich dachte, ich könnte vielleicht
irgendwas
an ihm wahrnehmen, einen vagen Eindruck, der mit Leben und Tod zu tun hatte... aber er hatte nichts Bösartiges an sich. Er strahlte eher etwas Bodenständiges aus, ein nüchternes Anerkennen, dass alles Leben vom Tod abhängt. Tiere fressen Tiere. Leben muss beendet werden. Blut muss vergossen werden.
    Ich konnte mir vorstellen, dass Tom Noyce einen Fisch fing oder ein Huhn schlachtete, aber das war auch schon alles.
    »Dann komm«, sagte er einfach, drehte sich um und ging auf eines der Wohnmobile zu. »Sie erwartet dich.«

|381| Vierundzwanzig
    I ch glaube, ich hatte erwartet, dass Lottie Noyce genauso aussehen würde wie Madame Baptiste – derselbe dicke Zopf aus dunkelbraunem Haar, am Kopf zu einem Knoten zusammengesteckt, dasselbe altmodische braune Wollkleid, zugeknöpft bis zum Hals. Aber das war natürlich Madame Baptiste, die Wahrsagerin, gewesen. Und Lottie Noyce war nicht Madame Baptiste. Sie war einfach Lottie Noyce: eine mittelalte Frau mit langem braunem Haar, die ein schlichtes schwarzes T-Shirt und Jeans trug, an einem Tisch hinten im Wohnmobil saß, Tee trank und selbst gedrehte Zigaretten rauchte.
    Etwas anderes war sie nicht.
    Nur eine Frau mittleren Alters mit Zigarette.
    Aber als mich Tom Noyce in das Wohnmobil führte und Lottie einfach so dasaß und mich ruhig durch eine bläulich graue Rauchwolke hindurch betrachtete, fand ich es trotzdem schwer, meinen Blick von ihr zu lösen.
    »Bitte, komm näher«, sagte sie und winkte mich heran.
    Das Wohnmobil schaukelte leicht, als ich zum Tisch hinüberging. Gedämpftes Licht fiel aus einer Stehlampe in der Ecke und die Luft schien in dem Licht zu schimmern. Lottie saß mit dem Rücken zu einem Fenster, das durch einen Vorhang |382| verdeckt war, und als ich mich an dem kleinen, wackeligen Tisch niederließ, spürte ich, dass sie mich musterte, genau wie beim letzten Mal – sie studierte mich, las in mir und suchte in mir nach Geheimnissen.
    »Magst du einen Tee?«, fragte sie und lächelte mich an.
    »Nein, danke«, antwortete ich.
    Ich schaute hinüber zu Tom. Er stand am anderen Ende des Wohnmobils in einem beengten kleinen Küchenbereich. Er tat nichts – stand einfach nur da, lässig gegen den Kühlschrank gelehnt, und behielt mich im Auge. Der Kühlschrank wirkte altertümlich. Als ich mich kurz in dem Wohnmobil umsah, merkte ich, das fast alles um mich herum altertümlich aussah. Die Töpfe und Pfannen, die an den Wänden hingen, die sparsamen und einfachen Möbel, die Porzellanfiguren, die lackierten Muscheln, die primitiven Bilder in groben Holzrahmen... das Ganze wirkte wie aus einem anderen Zeitalter.
    »Du kannst auch Saft haben, wenn du möchtest«, sagte Lottie.
    »Wie bitte?«
    »Orangensaft, Ananas...«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
    Sie nickte, zog an ihrer Zigarette und ich registrierte, wie sie einen Stapel Spielkarten auf dem Tisch betrachtete. Sie sahen genauso aus wie die von Samstagnacht – eine einfarbige, dunkelrote Rückseite ohne Bilder oder Muster. Lottie blies eine lange Rauchfahne in die Luft.
    »Also, Peter«, sagte sie, »was kann ich für dich tun?«
    Ich sah sie an, unsicher, was ich sagen sollte. Ich meine, was konnte ich schon sagen?
Ein Porzellankaninchen hat mir erklärt, ich soll Sie aufsuchen. Es glaubt, Sie wissen, was mit
|383|
Raymond passiert ist. Es glaubt, Sie kennen sein Schicksal. Und es glaubt, Sie wissen, wieso auf dem Wohnwagen Ihres Sohnes Stellas Blut gefunden wurde.
    Ich sagte gar nichts.
    »Schon gut«, sagte Lottie leise. »Ich weiß, wie schwer das für dich sein muss. Ich weiß, wie du dich fühlst wegen deines Freundes.«
    »Ja?«
    Sie nickte. »Dir ist klar, dass ich es weiß. Deshalb bist du hier.«
    »Ich weiß nicht, warum ich hier bin«, antwortete ich. »Ich versuche nur herauszufinden, was mit Raymond passiert ist. Ich will bloß hören, ob Sie etwas wissen, das ist alles. Ich meine, wenn Sie
wirklich
etwas wissen.«
    »Was meinst du mit
wirklich

    Ich sah sie an. »Ich denke, Sie wissen, was ich meine.«
    Sie starrte eine Weile zurück, ohne ein Wort zu sa-gen, dann lächelte sie stumm in sich hinein und drückte ihre

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