Black Rabbit Summer

weil beide Eltern auch die hässliche Seite des Ruhms kannten (Sophie war genauso auf Skandale aus gewesen wie ihr Mann), waren sie entschlossen, Stella so »normal« wie möglich heranwachsen zu lassen. Was der Grund ist, weshalb Stella – trotz der vielen Millionen – auf derselben Schule landete wie wir.
    Ich selber kannte sie nicht besonders gut, aber mit Eric und Nic war sie dick befreundet und teilte ihre Begeisterung fürs Theaterspielen. Sie traten bei allen Schulaufführungen auf, sangen und tanzten, verkleideten sich und träumten davon, große Stars zu sein. Die meisten von uns waren überzeugt, wenn es eine schaffen würde, dann Nicole. Eric legte |74| sich bei allem ein bisschen zu sehr ins Zeug und sah meistens nur sich. Stella sah zwar gut aus, hatte aber wenig Talent, und obwohl ihre Eltern die entscheidenden Leute kannten, weigerten sie sich, ihr zu helfen, was Stella so
richtig
stank. Nicole dagegen... Nicole brauchte keine Hilfe. Sie besaß einfach alles – Talent, gutes Aussahen, Energie, Selbstvertrauen.
    Deshalb war es die große Überraschung, als eines Tages Stella in die Schule kam und verkündete, sie habe eine Rolle in einem Fernsehspot. Damals war sie etwa vierzehn und später stellte sich heraus, dass sie die Rolle gekriegt hatte, weil sie sich mit dem sechzehnjährigen Sohn eines Freundes ihrer Eltern eingelassen hatte, der ein bekannter Filmproduzent war. Der Spot warb für eine große Supermarktkette und gehörte zu einer dieser Werbeserien, bei denen jeder Teil ein paar Monate läuft und dann durch einen neuen ersetzt wird, und danach kommt wieder ein neuer Spot, aber immer mit denselben Figuren... so wie Folgen einer dämlichen kleinen Geschichte. In dieser Kampagne ging es um eine liebenswert schrullige Familie – Vater, Mutter, Tochter und Sohn. Stella war die Tochter. Sie sollte einen hübschen, dabei aber frechen Teenager spielen – süß, bezaubernd und unschuldig –, doch mit den Spots entwickelte sich auch Stellas süßer kleiner Teenager weiter, und nach einem Jahr begannen sich die Boulevard-Zeitungen für sie zu interessieren, auf eine Art, die nicht zum Heile-Welt-Familien-Image des Supermarkts passte, also wurde sie aus der Kampagne entfernt. Stella hatte zu der Zeit schon die Schule verlassen – ich glaube, sie bekam Privatunterricht – und das Einzige, was wir, einschließlich Eric und Nic, noch von ihr mitbekamen, erfuhren wir aus Zeitungen und dem Fernsehen, wo sie inzwischen andauernd zu sehen war. Sie machte alles Mögliche – Fotoshootings |75| für Männermagazine wie
Loaded
und
FHM
, Talkshows, Auftritte in Musikvideos –, aber hauptsächlich war sie als Stella Ross berühmt. Das wilde Mädel, die fünfzehnjährige Skandalgöre, das Traumgirl aller Jungen (und auch Männer).
    Vor etwa sechs Monaten, nach einer wilden Nacht in einem Londoner Schickimicki-Club an ihrem sechzehnten Geburtstag, landete Stella mit einem Typen namens Tiff in einem Hotelzimmer. Tiff war Sänger der Boygroup
Thrill
, die vor Kurzem den dritten Platz in einer zweitklassigen Talentshow im Kabelfernsehen gewonnen hatte. Außer Stella und Tiff weiß niemand genau, was in jener Nacht passiert ist, doch nach ein paar Tagen war die Affäre vorbei und in einer Sonntagszeitung erschien eine Reihe intimer Fotos von Stella. Es waren ziemlich pixelige Bilder, geschossen mit einer Handykamera, und es gab auch nicht viel zu sehen – die Zeitung hatte die anstößigsten Stellen geschwärzt –, doch plötzlich sprach alle Welt von diesen Fotos. Die Zeitung, die sie veröffentlichte, gehörte zu der Sorte, die ständig lauthals gegen Pädophile wettert, und jetzt auf einmal zeigten sie Aufnahmen eines fast nackten Mädchens, das gerade sechzehn geworden war.
    Daraufhin spielten die ganzen anderen Zeitungen verrückt, bezeichneten das Blatt als heuchlerisch und war-fen ihm vor, es würde Schmutz und Schund verbreiten, während sie selbst gleichzeitig bearbeitete Versionen der Fotos zeigten – angeblich nur, um deutlich zu machen, wovon die Rede war. Und dann erschien eine weitere Fotoserie im Internet, bei der die Bilder kein bisschen bearbeitet waren, und so lief die Geschichte immer weiter... und Stella wurde währenddessen immer berühmter...
    |76| Eric und Nicole war das alles total zuwider. Zunächst einmal waren sie neidisch, besonders Nicole. Sie hatte das ganze Berühmtsein um des Berühmtseins willen immer verabscheut, und was für Nic alles noch schlimmer machte, war, dass sie mit