Black Rabbit Summer
hässlich
und
schön. Manchmal, wenn Erics Gesicht für einen kurzen Augenblick |79| zu dem von Nic wurde, so wie jetzt, war es, als ob ein unscharfes Bild langsam scharf gestellt wird – und allmählich so erscheint, wie es gedacht war. Doch diesmal, als sich Erics Gesicht in Nics verwandelte, nahm es auch die gleichen seltsamen Formen und Muster an, die ich vorhin in Nics Gesicht gesehen hatte... Dreiecke, Vierecke, Kegel und Pyramiden ... und als Eric die Hand bewegte, um die ausgegangene Zigarette auf den Boden fallen zu lassen, sah ich Spuren in der Luft, Nachbilder der Bewegung, wie in Zeitlupe...
Ich schloss die Augen.
»Ich gehe«, hörte ich jemanden sagen.
Die Stimme klang eigenartig – langsam und tief, zäh und verzerrt.
»Kommst du, Nic?«
Als ich die Augen öffnete, war Eric aufgestanden und schaute hinüber zu Nic. Sein Gesicht war wieder ganz Eric.
»Nic?«, fragte er.
»Ich treff dich auf der Kirmes«, erklärte sie ihm. »Ich will noch mit Pete reden.«
Ich sah sie an.
Sie ignorierte mich und richtete ihren Blick auf Pauly. »Allein.«
»Was ist?«, fragte er.
»Ich muss was mit Pete besprechen.«
»Na und?«, sagte Pauly mit einem Schulterzucken. »Ich halt dich nicht auf.«
Eric stupste ihn mit dem Fuß. »Jetzt komm schon, sei nicht so ein Wichser.«
Pauly sah zu ihm hoch und grinste. »Kaufst du mir Zuckerwatte?«
Eric lächelte. »Ich prügel dir die Scheiße aus dem Leib, |80| wenn du nicht endlich deinen Arsch hebst.«
»Schon gut«, sagte Pauly.
Während Eric ihm auf die Füße half, warf Nic Raymond einen Blick zu. »Und du?«, fragte sie und lächelte ihm zu.
Für einen Moment starrte er sie an, blinzelte und dann schaute er zu mir.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es kam mir falsch vor, ihn zu bitten, dass er ging. Ich wusste, er würde sich allein mit Pauly und Eric nicht wohlfühlen, also würde er wahrscheinlich nicht mit ihnen auf die Kirmes gehen wollen. Aber die Vorstellung, dass er auf eigene Faust nach Hause ging, gefiel mir auch nicht. Draußen war es jetzt dunkel. Es war Samstagabend, nach zehn Uhr, da ist es für
niemanden
gut, hier in der Gegend allein zu sein, schon gar nicht für Raymond. Andererseits wollte ich ihn auch nicht blamieren, indem ich so tat, als bräuchte er einen Aufpasser.
Ich weiß nicht, wie viel davon wahr ist. Ich denke, einiges stimmt, vielleicht sogar das meiste. Ich war wirklich in Sorge um Raymond, ich fühlte mich tatsächlich für ihn verantwortlich ... doch tief im Innern wollte ich vor allem mit Nicole allein sein.
Ich sah sie an und wollte sie fragen, wie lange wir wohl brauchen würden, aber ich konnte es einfach nicht aussprechen.
Sie lächelte. »Mach dir keine Sorgen.«
Ich wusste nicht, was sie damit meinte.
Ich wandte mich wieder zu Raymond um. Er sah mich noch immer an, wartete noch immer. Vielleicht hätte es mir die Sache leichter gemacht, wenn ein bisschen Groll oder wenigstens etwas Enttäuschung in seinem Blick gelegen hätte, |81| doch da war nichts. Nichts als Vertrauen.
»Wenn du warten willst –«, fing ich an.
»Schon gut«, sagte er einfach. »Ich treff dich dann auf der Kirmes.«
Überrascht starrte ich ihn an. »Bist du sicher?«
Er nickte und stand langsam auf.
Ich sah ihm bloß zu, unfähig, etwas zu sagen.
»Mach dir keine Sorgen«, meinte er, mich anlächelnd.
»Okay...«, murmelte ich.
Ich saß schweigend da und sah sie gehen: zuerst Eric, der sich schnell unter der Tür hinwegduckte, dann Pauly, der uns über die Schulter noch einen anzüglichen Blick zuwarf, und schließlich Raymond. Ich hatte gedacht, er würde sich noch mal zu mir umdrehen, als er ging, vielleicht irgendwas sagen oder zum Abschied winken. Aber nichts. Er duckte sich zur Tür hinaus und verschwand in die Nacht.
Ich horchte, wie er Eric und Pauly die Böschung hinab folgte, hörte ihre verklingenden Schritte durch die Dunkelheit stolpern, dann wandte ich mich wieder Nic zu. Sie war von der Wand weggerutscht und saß jetzt vor mir – die Beine gekreuzt, das Gesicht matt leuchtend im Kerzenlicht, die Augen fest auf mich gerichtet.
»So«, sagte sie leise, »da sind wir wieder.«
»Stimmt...«
»Nur wir zwei.«
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
Sie zog ihre Schuhe aus und lächelte mich an. »Heiß, nicht?«
|82| Fünf
E ine Weile war alles ganz okay. Nic und ich saßen bloß da und redeten – über Paris, Stella, Schule, College – und wir hatten kein komisches Gefühl dabei oder so. Wir
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