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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ich stand am Fenster meines Zimmers und wusste, was ich zu tun hatte.

    Während ich mir frische Sachen anzog, erinnerte ich mich daran, was Dad gesagt hatte –
ich möchte, dass du heute zu Hause bleibst
–, und ich versuchte mir einzureden, dass ich nicht ausdrücklich erklärt hatte, ich
würde
zu Hause bleiben. |171| Natürlich wusste ich, dass ich es gesagt hatte, aber wenn man wirklich an etwas glauben
will
, ist es nicht allzu schwer, sich die Dinge zurechtzubiegen.
    Man muss es nur glauben.
    Als ich mich umgezogen hatte und nach unten ging, war ich sogar ziemlich überzeugt, dass Dad gar nichts von zu Hause bleiben gesagt hatte.
    »Mum«, rief ich durch den Flur. »Ich geh noch mal ein bisschen nach draußen, ja?«
    »Wohin willst du denn?«, rief sie aus der Küche.
    »Einfach nur raus«, erklärte ich ihr. »Dauert nicht lange.«
    »Warte, Pete –«, hob sie an.
    Aber ich schloss schon die Haustür.

    Als Erstes ging ich noch mal bei Raymonds Haus vorbei, doch diesmal klingelte ich vorn an der Tür. Irgendwie ahnte ich schon, dass seine Eltern nicht besonders begeistert wären, wenn sie mich sähen, deshalb war ich nicht allzu überrascht, als Mrs Daggett die Tür öffnete und mich sofort wütend anstarrte. Es war kein besonders schöner Anblick. Ihre Haare waren ganz strähnig und fettig, die Augen fahl und glasig und sie trug einen schäbigen alten Bademantel.
    »Was willst du diesmal?«, fragte sie und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ist er schon zurück?«
    Sie legte ihre Hand auf die Hüfte und starrte mich an. »Verdammt... wie oft sollen wir es dir noch sagen? Dein Alter war auch schon hier und hat seine Nase –«
    »Ich will doch nur wissen, ob Raymond wieder da ist, sonst nichts.«
    »Nein, er ist nicht wieder da.«
    |172| »Machen Sie sich keine Sorgen?«
    »Nicht wirklich.« Sie zog an ihrer Zigarette. »Was geht dich das überhaupt an?«
    »Haben Sie gesehen, was mit seinem Kaninchen passiert ist?«
    Sie grinste: »Wahrscheinlich hat er’s selbst gemacht.«
    Ich starrte sie an und schüttelte den Kopf. »Was ist, wenn ihm etwas zugestoßen ist? Haben Sie daran schon mal gedacht? Was ist, wenn jemand Raymond erwischt hat –«
    »Niemand hat Raymond
erwischt
, verdammt noch mal«, keifte sie. »Der läuft wahrscheinlich bloß irgendwo rum und redet mit dem Himmel oder irgend so ’n Scheiß...« Sie zog wieder an ihrer Zigarette, und als ich sah, wie sie den Rauch gierig einsog und schnell wieder ausstieß, kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht doch nicht so sorglos war, wie sie tat.
    Ich beobachtete sie, wie sie sich aus der Tür beugte und die Asche von ihrer Zigarette schnippte. Das Sonnenlicht trübte ihre Augen. Sie blinzelte und schniefte. Und beugte sich wieder zurück.
    Dann sah sie mich an, mit vorgerecktem Kinn. »Was ist?«
    »Nichts...«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wieso sollte jemand Raymond was antun?«
    »Keine Ahnung... wieso schneidet jemand Raymonds Kaninchen den Kopf ab? Ist doch völlig egal,
wieso
, oder?«
    Sie schniefte wieder. »Ja, also... Raymond ist nicht dämlich. Er passt schon allein auf sich auf...« Sie sah mich mit einem erschreckend durchdringenden Blick an. »Er ist nicht
krank
im Kopf, verstehst du?«
    »Ich weiß.«
    |173| »Wird schon alles okay sein mit ihm.«
    Danach schien es nichts mehr zu reden zu geben. Wir standen beide noch einen Moment lang da und warteten auf das Ende des Schweigens, dann trat Mrs Daggett langsam in den dunklen Flur zurück, ihre Blässe verlor sich im Zwielicht und ohne ein weiteres Wort schloss sie die Haustür.

    Danach ging ich hinunter zum Fluss. Der Fluss war seit jeher einer von Raymonds Lieblingsorten gewesen und ich wusste, dass er noch immer eine Menge Zeit dort verbrachte – er lief am Wasser entlang, saß am Ufer rum –, und falls er sich, aus welchem Grund auch immer, bloß irgendwo versteckt hatte, konnte er sich weiß Gott keinen besseren Platz dafür aussuchen. Es gab alle möglichen geheimen Orte dort – verborgene kleine Waldstücke, alte Brücken, versteckte Wege und Pfade...
    Der Fluss war ein guter Ort, um sich vor der Welt zu verstecken.
    Es lag noch immer ein leichter Gestank nach verbranntem Gummi in der Luft, und als ich am Ende des Wegs um die Ecke bog und hinunter zum Fluss lief, sah ich das ausgebrannte Autowrack rechts von mir auf einem Flecken Brachland vor sich hin schwelen. Der Wagen sah nach einem Ford Focus aus, aber es war schwer zu erkennen. Viel war nicht mehr übrig. Die Reifen

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