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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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zurückzukehren und zu schauen, ob es dort irgendwas gab.

    Auf der Recreation Road war alles noch ziemlich ruhig, doch die Sonne stand jetzt am Himmel und es regnete nicht mehr, weshalb die Straßen nicht ganz so leer und trist wirkten wie vorher. Ein paar Leute waren draußen – ein alter Mann, der seinen Wagen wusch, ein paar Kinder, die mit einem Ball herumkickten, |177| ein verkatert aussehender Typ, der Richtung Läden unterwegs war –, doch keiner von ihnen sprach mich an.
    Auch wenn ich nicht stehen blieb, als ich an Erics und Nics Haus vorbeiging, konnte ich doch sehen, dass jetzt ein paar Fenster offen standen und es nicht mehr so leer wirkte. Ich fragte mich von Neuem, wieso Eric mich angelogen und mir erzählt hatte, dass er um drei Uhr nach Hause gekommen sei, und ich überlegte, ob es aus irgendeinem Grund vielleicht doch stimmen könnte. Um die Zeit hatte ich sicher geschlafen, das heißt, wenn er total daneben gewesen war – so fertig, dass er kaum richtig gucken konnte –, war er vielleicht einfach ins Haus gestolpert, ohne mich zu bemerken. Oder er irrte sich vielleicht komplett mit der Zeit. Vielleicht war es gar nicht drei Uhr gewesen... vielleicht viel früher oder viel später...
    Vielleicht...
    Es gab noch jede Menge andere Vielleichts, von denen mich aber keines wirklich überzeugte, trotzdem überlegte ich immer weiter, und als ich das Ende der Straße erreicht hatte, war ich so in meinen Gedanken gefangen, dass ich, als ich vor mir eine vertraute Gestalt um die Ecke schlappen sah, einen Augenblick brauchte, bis ich sie erkannte. Sie ging langsam – den Kopf gesenkt, die Hände müde in die Taschen gestopft – und wirkte nicht gerade glücklich. Ihre Haare waren ungekämmt, das Make-up verschmiert... sie sah aus, als ob sie geweint hätte. Ihre Augen waren traurig auf den Boden geheftet, weshalb sie mich nicht kommen sah, bis wir fast zusammenstießen.
    »Nicole?«, fragte ich.
    Plötzlich schaute sie erschrocken auf und blieb vor mir |178| stehen.
    »Hey, Pete...«, sagte sie, blinzelte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Was machst du denn hier?«
    Ihr Blick schien abwesend und verschwommen. Auch ein bisschen verlegen wirkte sie.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich.
    »Ja, ja«, antwortete sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin okay...«
    »Wirklich?«
    »Ja... wieso?«
    »Du siehst scheiße aus.«
    »Vielen Dank.« Sie blinzelte wieder. »Du wirkst auch nicht gerade frisch.«
    »Ja, nun... war eine lange Nacht.«
    »Ja?«
    »Ich hab Raymond verloren.«
    »Du hast was?«
    »Er ist gestern Nacht irgendwann allein abgehauen, auf der Kirmes... ich hab ihn eine Ewigkeit gesucht, aber nirgends gefunden. Nach Hause gekommen ist er auch nicht.«
    »Scheiße«, sagte Nic. »Glaubst du, er ist okay?«
    Ich sah sie an und begriff plötzlich, dass sie die erste Person war, mit der ich sprach, die ehrlich um Raymond besorgt war. Es überraschte mich nicht, denn auch wenn Nic wenig begeistert gewesen war, ihn an unserem Kirmesabend dabeizuhaben, wusste ich doch, dass sie ihn mochte. Es hatte zwar Zeiten gegeben, da war es ihr gar nicht recht gewesen, dass er ständig dabei war, Zeiten, in denen sie bloß mit mir zusammen sein wollte, doch selbst damals hatte sie sich ihm gegenüber anständig verhalten. Sie mochte ihn. Nicht nur wegen dem, was er mir bedeutete oder ich ihm – obwohl das sicher auch eine |179| Rolle spielte –, aber grundsätzlich, glaube ich, mochte sie ihn auch um seiner selbst willen. Er war ihr nicht gleichgültig.
    Und dann erinnerte ich mich an die Worte der Wahrsagerin:
In dir ist eine große Freundlichkeit. Du machst dir Gedanken um andere, ohne an dich zu denken.
    »Hast du ihn überhaupt gesehen in der letzten Nacht?«, fragte ich Nic.
    Sie fuhr sich wieder mit der Hand durchs Haar und seufzte. »Mann, Pete... was weiß ich denn? Mir ist, als ob ich mich an
überhaupt
nichts von gestern Nacht erinnern kann.« Sie blähte die Backen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß echt nicht... es ist total merkwürdig. Ich meine, ein paar Sachen seh ich ja noch halbwegs vor mir, wie so ein kurzes unscharfes Aufflackern, aber das meiste ist einfach weg.«
    »Was ist mit Raymond? Erinnerst du dich, ihn gesehen zu haben?«
    »Hm, ja... als er in der Hütte war...« Sie sah mich einen Moment lang verlegen an. »Aber danach... ich bin mir nicht sicher. Ich glaub, ich hab ihn
irgendwo
auf der Kirmes gesehen ... aber frag mich nicht, wann und wo.«
    »War er

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