Black Rabbit Summer
ist, Pete. John dürfte überhaupt nicht hier sein und keiner von uns dürfte dir irgendwas sagen. Also, wenn jemand fragt...«
»Ja, ich weiß, dann ist das hier nie passiert.«
»Genau.«
Danach setzten wir uns – Kesey und ich aufs Sofa und Dad in den Sessel.
»Vor ein paar Stunden«, erklärte mir Dad, »ist bei der Polizei der Anruf eines alten Mannes eingegangen, der etwas am Fluss gefunden hat. Er war offenbar mit seinem Hund unterwegs und der Hund hat ein Kaninchen gejagt, doch als er wieder aus dem Unterholz auftauchte, hatte er ein blutbeflecktes Shirt im Maul.«
»Scheiße«, hauchte ich.
»Jedenfalls«, fuhr Dad fort, »hat der Alte sofort die Polizei verständigt, deshalb wurden ein paar Beamte vorbeigeschickt, um nachzuschauen... und die haben auch noch andere Sachen gefunden.«
»Was denn für Sachen?«
Dad sah Kesey an.
»Kleidung«, antwortete Kesey. »Jeansshorts, Unterwäsche, hohe schwarze Stiefel –«
»Das hat
Stella
getragen.«
»Ja, das wissen wir«, erklärte Kesey. »Ihre Eltern haben die Kleidung schon identifiziert.«
»Was ist mit Stella?«, fragte ich. »Ich meine, ist sie –?«
»Es gibt bisher kein Lebenszeichen von ihr«, sagte Kesey. »Wir haben jetzt Dutzende Leute da unten. Sie suchen Zentimeter um Zentimeter das ganze Gelände ab. Wenn sie dort |258| ist, finden wir sie.«
Ich sah einen Augenblick Dad an, dann drehte ich mich wieder zu Kesey um und zum ersten Mal fragte ich mich, was er hier eigentlich machte. Wenn er gar nicht bei uns sein und noch viel weniger etwas
erzählen
durfte, das nicht für uns bestimmt war – wieso
war
er dann da?
»Hör zu, Pete«, sagte er düster und rutschte in seinem Sessel hin und her, »ich weiß, das ist gerade alles ein bisschen verwirrend für dich, aber wenn es etwas gibt, das du uns noch nicht gesagt hast, und ich meine jedes noch so kleine Detail... also, dann ist jetzt der Zeitpunkt, es loszuwerden. Bevor es richtig heikel wird.«
»Was soll das heißen?«
»Niemand weiß, dass ich hier bin, okay? Niemand weiß, dass ich mit dir rede. Deshalb bleibt alles, was du mir jetzt sagst, absolut vertraulich. Verstehst du, was ich meine?«
»Nein, nicht wirklich.«
Er seufzte. »Ich will dir nur sagen, wenn du etwas
weißt
, irgendetwas, das uns helfen kann zu klären, was passiert ist, kann ich es jetzt noch verwenden, ohne dich offiziell da mit reinzuziehen. Solange wir zum richtigen Ergebnis kommen, fragt niemand nach, von wem ich die Information habe.« Er sah mich an. »Ich kann dich da raushalten, Pete. Aber du musst mir helfen und du musst es jetzt tun. Noch untersuchen wir keinen Mordfall, aber es sieht nicht sehr gut aus. Und wenn es erst mal richtig losgeht... also, dann kann ich nicht mehr viel für dich tun.«
»Wieso wollen Sie mich da raushalten?«
»Wieso?«, fragte er und sah mich finster an. »Was glaubst
du
denn, wieso? Ich kenne deinen Vater seit Jahren,
deshalb
. Wir sind Freunde, wir kümmern uns umeinander. Freunde |259|
tun
das.« Er starrte mich an und zog die Augen zusammen. »Und du bist ja wohl an nichts
schuld
, oder, Pete? Ich glaube, du
weißt
vielleicht etwas, und du machst dich nur insofern schuldig, als du es für dich behältst.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Sag du’s mir.« Er sah mich an. »Hast du vor irgendwas Angst?«
»Was?«
»Droht dir jemand?«
»Niemand
droht
mir.«
»Und warum redest du dann nicht mit uns?«
»Ich
rede
ja mit Ihnen.«
»Versuchst du, jemanden zu schützen?«
»Nein.«
»Was ist mit Raymond?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Schau, ich weiß, dass er dein Freund ist, und ich weiß, dass du dich um ihn kümmerst –«
»Freunde
tun
das, nicht wahr?«
Kesey lächelte. »Das Beste, was du im Moment für Raymond tun kannst, ist, alles zu sagen, was du weißt. Wenn er irgendwie drinhängt in der Sache mit Stella –«
»Hängt er aber nicht.«
»Bist du sicher?«
»Raymond würde nie jemandem schaden.«
»Leute tun merkwürdige Dinge, Pete. Besonders, wenn sie –«
»Wenn sie
was
?«, sagte ich wütend. »Mit Raymond ist nichts verkehrt –«
»Das hab ich auch nicht –«
»Er ist nicht
anormal
, verdammte Scheiße –«
|260| »Pete!«, fuhr Dad dazwischen.
Ich ignorierte ihn und starrte Kesey an. »Darum geht es doch die ganze Zeit, oder? Die ganze
Sorge
um mich, dass alle mir
helfen
wollen... das ist doch alles Schwachsinn. Ihr versucht doch bloß, über mich an Raymond ranzukommen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Doch, ist es wohl. Sie
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