Black Rose
ich habe Nelson nicht getötet. Er hat sich selbst
umgebracht. Aber es ist meine Schuld: Er hätte es nicht getan, wenn ich nicht
gewesen wäre.«
Es war die haarsträubendste Lüge, die Morrison je gehört
hatte. Noch mehr erstaunte ihn die Art, wie sie sie vorbrachte. Sie schien sie
sogar zu glauben. Reue lag in ihrem Blick. Morrisons Verblüffung war so groß,
dass er sie kaum verbergen konnte.
»Sie sagen hier unter Eid aus, dass Sie Nelson St. James
nicht getötet, dass Sie ihn mit dieser Waffe nicht erschossen haben – ist das richtig?
Sie sagen aus, Ihr Mann habe Selbstmord begangen?«
»Ja, aber das hätte er nicht getan, wenn ich nicht gesagt
hätte, was ich sagte!«
»Was haben Sie denn gesagt?«
»Er sagte mir, er werde es tun, und ich entgegnete ihm: ›Na
los doch, dann tu’s doch endlich!‹«
Eine Welle des Schocks breitete sich im Gerichtssaal aus.
So etwas zugeben zu müssen war so scheußlich, dass alle es glaubten.
»Ich sagte ihm: ›Na los doch, bring dich um, mir ist es
egal.‹ Er mag zwar abgedrückt haben, Mr. Morrison, aber ich bin
verantwortlich dafür. Wenn Sie mich also fragen, ob ich ihn getötet habe, so
lautet die ehrliche Antwort wohl ja.«
Morrison saß in der Falle. Ihm blieb keine Wahl. Er musste
den Faden ihrer Täuschung aufnehmen.
»Warum fangen Sie mit Ihrer Geschichte nicht ganz am Anfang
an? Was war der Grund für die letzte gemeinsame Reise von Ihnen und Ihrem Mann?
Sie haben die Aussage von Rufus Wiley gehört, dem Anwalt Ihres Mannes, dass Ihr
Mann die Scheidung gewollt habe und Sie die Chance wünschten, sie ihm
auszureden. Stimmt das?«
»Dazu gehört noch mehr. Es stimmt, dass Nelson gesagt hat, er
wolle die Scheidung. Und er hat mir auch erzählt, dass er sein Testament
geändert habe – Nelson drohte mir immer mit diesem oder jenem –, doch diesmal
setzte ich mich zum ersten Mal zur Wehr. Ich sagte, dass ich die Scheidung
einreichen würde, wenn er es nicht täte, dass ich es nicht mehr aushielte, dass
ich nicht wüsste, was schlimmer sei: seine ständige Untreue oder seine
törichten Eifersuchtsanfälle , wenn er mich auch nur mit einem anderen Mann sprechen sah.«
Die Farbe war in ihre Wangen zurückgekehrt. Morrison hatte schon
früher beobachtet, wie sie vor Zorn oder Auflehnung gegen jemanden, den sie
nicht mochte, erröten konnte. Sie spürte es kommen und wandte es schnell zu
ihrem Vorteil.
»Wir liebten uns«, erklärte sie den Geschworenen mit einem reuevollen
Blick. »Das taten wir wirklich; aber Nelson war in ein paar Sachen verwickelt,
geschäftliche Dinge – ich weiß nicht, worum es dabei ging –, und er war einfach
unmöglich geworden. Und als er dann angeklagt war, wurde seine Stimmung noch
unerträglicher.«
Danielle senkte den Blick. Ihre Schultern bebten. »Es war
meine Idee, wieder mit der Yacht loszufahren. Ich musste einfach weg. Ich sagte
Nelson, dass ich es ihm überließe, ob er mitkommen wolle; wenn er glaube,
unsere Ehe sei einen Rettungsversuch wert, sei ich bereit, zumindest über
unsere Probleme zu sprechen. Es wäre besser gewesen, wenn ich nicht gefragt
hätte. Wir haben nichts weiter getan, als uns zu streiten. Wir stritten nicht nur
unter vier Augen – wir konnten auch in Gesellschaft nicht damit aufhören. Aus
dem Grund ließ ich ihn an jenem Abend im Restaurant sitzen. Nelson konnte so
ausfallend werden.«
»Rufus Wiley hat ausgesagt, Ihr Mann habe die Scheidung
gewollt, weil Sie eine Affäre gehabt hätten.« Morrison blickte ihr prüfend in
die Augen. Er fragte sich, ob sie gelogen hatte, als sie es ihm gegenüber
abstritt, und ob sie schon wieder eine Lüge erzählen würde. »Hatten Sie eine
Affäre, Mrs. St. James, und hat Ihr Mann es herausgefunden?«
Statt sich umzudrehen und die Geschworenen anzusehen,
erwiderte sie weiterhin Morrisons Blick. Ihre Miene wirkte offen und aufrichtig
und dabei gleichzeitig feierlich und entschlossen.
»Ja, Mr. Morrison. Ich hatte eine Affäre, und mein
Mann hat es herausgefunden.«
Morrison hatte sie damals nicht gekannt – sie hatte einen
Kontinent entfernt gelebt und war mit einem anderen Mann verheiratet gewesen –,
und dennoch verspürte er einen Stich von Eifersucht. Und er erkannte in dieser
Sekunde – er sah es in ihren Augen –, dass sie es wusste und dass es sie nicht
im mindesten störte.
»Und stritten Sie sich deswegen immer noch – war das der Grund
für Ihre Auseinandersetzungen?«
»Ja, hauptsächlich. Es spielte für Nelson keine Rolle, dass
ich
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